Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

reichen Sahnetopfsammlung! Jeder Besucher war moralisch ver- 
pflichtet, einen Topf zu stiften, so daß die Sammlung, wie man sich 
denken kann, schließlich recht beträchtlich geworden war. Mein Bater 
kannte die guten alten Leute noch aus seiner Jugendzeit her und 
neckte sich in seiner launigen Weise gern mit ihnen. 
Unter den Verwandten, die wir häufig besuchten, gedenke ich in 
erster Linie der Fürstin Liegnitz, meines Urgroßvaters Friedrich Wil- 
helms III. zweiter Gemahlin. Ich entsinne mich ihrer als einer son- 
nigen, sanften und gütigen alten Dame, die die Verehrung aller 
Mitglieder unseres Hauses genoß. Auch meine Eltern waren ihr 
sehr zugetan und schickten mich oft mit Blumen zu ihr= sie wohnte 
in der nach ihr benannten Villa am Eingang zum Park von Sans- 
souck. Ich sehe noch heute den liebevollen Ausdruck ihres Gesichtes 
vor mir, aus dem ein gutes, weiches Herz sprach. Ihre schwierige 
Stellung hat sie ihr Leben lang mit feinstem Takt gewahrt und 
dadurch sich allgemeine Verehrung gewonnen. 
Eine alte Dame, die bei aller Liebenswürdigkeit uns Kindern 
größten Respekt einflößte, war Königin Elisabeth, die Gemahlin 
meines Großohelms, König Friedrich Wilhelms IV. Ste lebte 
ganz zurückgezogen, im Sommer in Schloß Sanssouck, im Win- 
ter im Schloß zu Charlottenburg. Sie besaß ein Holzmodell von 
Zerusalem, genannt das „Himmlische Jerusalem“", mit abnehmbaren 
Kuppeln, wenn ich die Großtante besuchte, durfte ich stets mit diesem 
schönen Modell spielen. Meine Eltern haben die Tante Elise sehr 
geliebt. Auch Tante Marie, die Gemahlin Prinz Karls, des Bruders 
meines Großvaters, stand meinen Eltern sehr nahe. Wir sind sehr 
häufig bei der lieben alten Dame zu Besuch gewesen. Brinz Karl 
dagegen habe ich nur bei Hoffestlichketten und anderen größeren 
Gesellschaften gesehen. 
Wenn in den Ferien das Wetter es irgend erlaubte, ging mein 
Bater mit unds täglich baden. Entweder gingen wir zu unserer 
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