Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

laufen sollten. Als ich nun in der Gasse hielt mit Masor Mischke, 
rief einer: „Kenikliche Hoheit sollen..“ — Der Herr Mafor sagte: 
„Seien Sie nur still!“ Dann liefen zwei unsaubere halbbetrunkene 
Männer vor unserer Nase vorbei; da wurde der eine von einem 
anderen Manne gepackt und herumgeknufft und gepufft, und der 
Gestoßene machte immer wütende Augen, aber es half nichts. Dann 
stand ein Junge da mit einem Glas Wasser in der Hand, ein kleines 
Mädchen wollte trinken, und der Zunge gab ihr etwas Wasser; es 
trank ein wenig und gab ihm das Glas zurück. Als des Mädchens 
Mutter zu trinken verlangte, sagte er: „Wee,“ sie aber sprach: „Ach 
gib mir ein Bisken, det Wasser kostet sa enen halben Dahler!“ Als 
ihr Mann auch zu trinken verlangte, bekam der Junge Angst und 
verschwand. 
Jetzt kam der Kaiser vorbei, gleich darauf kam Papa vorbei und 
winkte mir mit dem eben erhaltenen Feldmarschallstab; ich galoppierte 
vor und ritt hinter ihm her. Nachdem wir durch das schön ge- 
schmückte Brandenburger Tor geritten waren, wurde der Kaiser von 
einer der 60 weißen Jungfrauen angeredet, und von da aus ritten 
wir bis an den Anfang der Linden, wo ein sehr großer roter, mit 
Gold geschmückter Baldachin ausgespannt war. Er wurde von vier 
vergoldeten Säulen getragen, und auf seder Säule stand eine Biktorta. 
Unter diesem Baldachin stand der Bürgermeister mit den Stadt- 
räten und Ratsherren. Der ganze Partser Platz war an beiden 
Seiten mit Tribünen verbaut, die bis auf die obersten Sitze mit 
Menschen angefüllt waren. Der ganze Platz machte einen überaus 
freundlichen Eindruck und schönen zugleich. Nachdem der König vom 
Bürgermeister angeredet worden war, ging es weiter im Schritt, 
rechts und links stand ein französisches Geschütz und eine Mitrafl= 
leuse in abwechselnder Reihe, und bunte Lampions hingen die Lin- 
den herunter. Uber der Via triumphalis hingen von Zeit zu Zeit 
sehr große schöne Gemälde, se eines zwischen zwei Säulen. 
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