Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Damals hat sich auch der Vorgang ereignet, dessen ich bereits Er- 
wähnung tat, nämlich mein Herablassen in einer Taucherglocke ins 
Wasser. 
Diese Darstellung aus meinem „Lebenslauf“ möchte ich ergänzen 
durch eine Schilderung der englischen Berhältnisse, wie sie mir aus 
den Zeiten des ersten Zahrfünfts der 7Oer Jahre von verschiedenen 
Aufenthalten in England in Erinnerung geblieben sind. 
Wir wohnten mit den Eltern zusammen als Gäste meiner Groß- 
mutker bald im Buckingham Palace in London, bald in dem herr- 
lichen Schloß Windsor oder in Osborne, dem einzigartigen Sommersitz 
auf der Insel Wight. Ungemein ansprechend fand ich die englische 
Landschaft mit den sauberen Landhäusern und Dörfern und ihren 
gepflegten Rasenplätzen. Unsere Kinderzimmer waren behaglich und 
wohnlich, ich fühlte mich dort vollkommen zu Hause. Der Ausdruck 
der Engländer für Häuslichkeit und Gemütlichkeit „homeliness“ und 
„comfort“ konnte mit vollem Recht selbst auf das gewaltige Schloß 
Windsor mit aller seiner Pracht und seinen großen Sälen und Räu- 
men angewendet werden. Wir wurden wie Kinder des Hauses be- 
handelt und sahen unserseits in liebevoller Ehrfurcht zu unserer 
Großmutter, Britanniens großer Königin Bictoria, auf. 
Die Königin ist von Anfang an voll besonderer Güte für mich 
gewesen, eine rechte Großmutter, und dieses innige Berhältnis hat 
bis zu khrem Tode keine Trübung erfahren. Ich habe an denselben 
Plätzen und mit demselben Spielzeug spielen dürfen wie einst- 
mals meine englischen Onkel und Tanten, als sie im selben Alter 
waren. So durften wir in der entzückenden Miniatur-Milchwirtschaft 
mit voll eingerichteter Kinderküche, die sich im Bark von Windsor 
bei Frogmore befand, selbst Butter und Rahmäse herstellen und 
Tee trinken. In Osborne durfte ich mit alten eisernen Kanonen 
auf einer Modellschanze spielen, die früher meinen Onkeln, als sie 
noch Knaben waren, zum Spielplatz gedient hatte. Auch entsinne 
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