III. Buch. Das Handelerecht. 21
70er Jahre, auch in Deutschland ein allgemeiner Umschwung in der Anschauung
üÜber die Notwendigkeit eines Patentschutzes ein. Seine erste gesetzliche Regelung
fand er in dem Patentgesetz vom 25. Mai 1877, das am 1. Juli 1877 in Kraft trat.
Der befruchtende Einfluß auf Technik und Industrie blieb nicht aus. Doch erhoben
sich bald lebhafte Klagen über einzelne Mängel des Gesetzes, die namentlich die
Organisation des Patentamtes betrafen. Sie gaben Veranlassung zu dem Patent-
gesetz vom 7. April 1891, das durch die Kommissionsberatung eine sowohl dem Umfang
als auch dem Inhalt nach weit über die Abänderungsvorschläge der Regierung hinaus-
gehende Fassung erhalten hat. Die Anderungen betrafen in der Hauptsache die Ein-
richtung des Patentamtes und das patentamtliche Verfahren, wodurch eine schnellere
Prüfung der Patentanmeldungen gewährleistet wurde. Das System des Gesetzes,
namentlich die amtliche Vorprüfung der Erfindung blieb unverändert. Auch das mate-
rielle Patentrecht wurde durch die Revision nur in einzelnen Punkten berührt. Eine
wichtige Anderung brachte das Gesetz vom 6. Juni 1911. An Stelle des Ausführungs-
zwanges trat der Lizenzzwang, wonach bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses einem
Anderen gegen entsprechende Vergütung die Berechtigung zur Benutzung der Erfindung
zugesprochen werden kann. Der Ausführungszwang wurde nur für den Fall beibe-
halten, wenn die Erfindung hauptsächlich im Auslande ausgeführt wird. Die Ande-
rung war durch die Gestaltung des internationalen Rechtes, vor allem aber mit Rück-
sicht auf die Patentgesetzgebung Englands mit ihrem verschärften Ausführungszwang
notwendig geworden. Zurzeit ist eine grundlegende Reform des deutschen Patent-
gesutzes in Vorbereitung. Die Reformbestrebungen sind hauptsächlich sozialpolitischer
Natur. Sie gehen im wesentlichen dahin, das Recht des Erfinders als solches schärfer
als bisher zu betonen und dem in abhängiger Stellung befindlichen Erfinder gesetzliche
Mittel zur ideellen und wirtschaftlichen Durchsetzung zu gewähren. Der Rücksicht auf den
wirtschaftlich Schwachen trägt ferner Rechnung die Forderung der Ermäßigung der
Patentgebühren, der Vereinfachung der Zahlungsregeln und einer Stärkung der Rechts-
stellung des Patentsuchers im Patentverfahren.
Gebrauchsmusterschutz. Eine bedeutungsvolle Erweiterung erfuhr der Rechts-
schutz des gewerblichen Eigentums durch das Ge-
setz betr., den Schutz von Gebrauchsmustern vom 1. Juni 1891. Bis dahin
fehlte es an einem wirksamen Schutze solcher Modelle, die nicht auf den Schönheits-
sinn einwirken, sondern dazu bestimmt sind, die Gebrauchsfähigkeit zu steigern.
Das Gesetz vom 11. Januar 1876 betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen
schützte nur Geschmacksmuster und mußte nach seiner Tendenz bei dem Schutze von Ge-
brauchsmustern versagen. Andererseits erwies sich die Abhilfe nicht als ausreichend,
welche die Industriellen gegen diese Lücke dadurch suchten, daß sie für Geschmacksmuster
den Patentschutz zu erlangen suchten. Das Patentgesetz erteilt nur Schutz für neue Er-
findungen, die eine gewerbliche Verwertung gestatten. In vielen Fällen hielt das Patent-
amt die in Geschmacksmustern zum Aueê#druck kommende neue schöpferische Sdee für nicht
bedeutend genug, um sie als Erfindung bezeichnen zu können. Das Patentamt war
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