Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
7s Oie kathollsche Kirche. VIII. Buq. 
etwas Beruhigendes, auch ihre Religion dort vertreten zu wissen. Sodann ist ganz 
Uar, daß sowohl Professoren wie Studenten der Theologie an einer solchen Stätte der 
Wissenschaft eine Menge von Anregungen und Gelegenheiten zur Erweiterung ihres 
Wissens und ihres Gesichtskreises haben, indem neben dem Studium der Verkehr mit 
Vertretern anderer Fächer und einer anderen Weltanschauung ihnen zugute kommt. 
Nicht weniger haben die Professoren und Studenten der weltlichen Fakultäten die Mög- 
lichkeit, im persönlichen Umgang mit Lehrern und Hörern der Theologie mancherlei 
irrige Vorstellungen zu berichtigen und weitverbreitete Vorurteile abzulegen. Wenn 
die Befürchtungen begründet wären, welche von ängstlichen Katholiken wie von ezxklu- 
siven Protestanten gegen die Eingliederung der katholischen Theologie in die Hoch- 
schulen gehegt werden, dann müßten längst alle an Universitäten Theologie lehrenden 
und hörenden Katholiken zum Protestantismus abgefallen, alle an Hochschulen mit 
katholisch-theologischen Fakultäten wirkenden oder studierenden Protestanten romanisiert, 
die Universitäten selbst ruiniert sein. Wer an die Vorteile der von den Extremen hüben 
und drüben geschmähten Fakultäten für das gesamte nationale Leben nicht glaubt, der 
höre eine Stimme aus einem Lande, das sie früher besaß und dann eingehen ließ. P. Vil- 
lari, als akademischer Lehrer, als Forscher und als Staatsmann gleich geschätzt, zog die 
Summe eines dem Dienste des Vaterlandes geweihten Lebens in folgendem Urteil: 
„Wir mußten die theologischen Fakultäten unterdrücken, und glaubten damit einen großen 
Schritt zur Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft zu tun. Aber damit entfiel 
in der Universitas studiorum, die doch die Enzpyklopädie alles Wissenswerten darstellen 
sollte, alles das, was uns mit der Zukunft verknüpft, und der Geist der Zugend entfernte 
sich immer mehr von dem Studium der religiösen Probleme. Wir vergaßen, daß in 
Deutschland und anderwärts die theologischen Fakultäten stets der Nährboden der größten 
Philosophen waren, und so viel zum religiösen, wissenschaftlichen und kulturellen Fort- 
schritt der Zeit beigetragen haben. So verschwand in Ztalien jede ernstliche theologische 
Literatur, jedes ehrliche Studium der Entstehung des Christentums und der Kirche. Der 
Klerus erhielt seine Erziehung nur mehr in den Seminarien, denen der wissenschaftliche 
Geist und die Berührung mit der Gesellschaft, welche jener zu leiten berufen war, gänzlich 
fehlten. Wie anders in Oxford und Cambridge, wo das Prinzip jeder wahrhaft liberalen 
Erxziehungherrscht, die gemeinsame Erziehung der Geistlichen und Laien! Diese auseinander 
gerissen zu haben, gleichgültig aus welchem Grunde, war für uns ein sehr schweres Unglück.“ 
Es ist ebenso ein Zeichen konfessioneller Unbefangenheit wie kirchenpolitischer und 
staatsmännischer Weisheit, wenn nicht nur die theologischen Fakultäten Altdeutschlands 
erhalten und geschützt, sondern auch langwierige und umständliche Verhandlungen mit 
Rom nicht gescheut wurden, um an der Universität der Reichslande eine neue zu errichten. 
So ist denn im Deutschen Reiche für die Bildung und Erziehung der Kandidaten des 
Sonstige theologische katholischen Priestertums reichlich gesorgt. Neben den theo- 
Bildungsanstalten. logischen Fakultäten zu Bonn, Braunsberg, Breslau, Mün- 
ster, München, Würzburg, Tübingen, Freiburg und Straß- 
burg bestehen dreizehn Priesterseminare und dazu noch sieben Lyzeen in Bapern. Auch 
die beiden letztgenannten Kategorien von Instituten haben großenteils treffliche Kräfte, 
  
  
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