Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

württembergische Agrarverhältnisse. 194 
derselben mindestens seinen Pflichtiheil zu hinterlassen. Die nach- 
folgenden Besitzer aber, welche das Gut unter jener Bedingung 
übernehmen, würden dasselbe auch dann an Einen vererben 
müssen, wenn sie ausserdem nicht genug Vermögen hätlen, um 
jedem ihrer Kinder den Pflichttheil zu geben. In dieser Beziehung 
besteht in Württemberg zwischen dem Bürger- und Bauernstand 
einerseits und dem Adel andrerseits kein so grosser Unterschied, 
wie sonst in Deutschland, wo meist nur dem Adel die Errichtung 
von Familien-Fideicommissen verstaltet ist. Das Privilegium der 
Standesherren und des rilterschafllichen Adels besteht nur darin, 
dass diese kraft der ihnen zukommenden und vom Bundesrecht 
garantirlen Autonomie auch noch andere fideicommissartige Ein- 
richtungen treffen und aufrecht erhalten können, als diejenigen 
sind, welche nach dem würlttembergischen Privatrecht jedem Bürger 
zu errichten erlaubt ist. 
Hier scheint also allerdings eine Reihe von rechtlichen Mög- 
lichkeiten gegeben, deren sich ein intelligenter und der ererbten 
Sitte wahrhaft treu anhängender Bauernstand hätte bedienen können 
und die er noch anwenden könnte, um das Uebermaass der 
Grundbesitzverkleinerung durch die von Generation zu Generation 
fortschreitenden Erbtheilungen zu verhindern. Untersucht man 
aber diese Rechtsmittel genauer, so überzeugt man sich leicht, 
dass ihre Wirksamkeit für den angegebenen Zweck doch immer 
zweifelhafter Natur 'ist. 
Das letzte der angegebenen Rechtsmittel, die Errichtung von 
bäuerlichen Fideicommissen, würde offenbar dem angegebenen 
Zweck am direktesten entsprechen. Ganz abgesehen aber davon, 
dass manche Fragen in der Lehre von den gemeinrechtlichen 
Fideicommissen bestritten sind, wie z. B. schon die Dauer eines 
solchen auf länger als vier Generationen, so setzt die Anwendung 
dieses Rechtsmittels nicht nur bedeutende juridische Kenntnisse 
voraus, sondern auch den festen Willen für spätere Generationen 
zu sorgen und die grösste, voraussichtigste Klugheit, um eine 
derartige Einrichtung zweckmässig zu treffen. Nun lehrt aber 
die Erfahrung, dass ein Bauer nur sehr schwer zu dem Entschlusse 
kommt, durch irgend ein Rechtsverhältniss sich und seine Erben 
auf lange hinaus zu binden. Er mag auch noch so fest über-
	        
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