446 Studien über württembergische Agrarverhältnisse.
lutismus der Regierungen des vorigen Jahrhunderts die alte Ord-
nung schon gebrochen war, und nun gegen die offen zu Tag
tretenden Uebelstände des Freiheitssystems auf dem gleichen Weg
des polizeilichen Eingreifens der Staatsgewalt eine Schutzwehr
gesucht wurde. “
Das aber kann unmöglich unsre wahre Aufgabe seyn, an
den wirklich vorhandenen Schäden unsers sozialen Körpers mit
solchen kleinen Polizeimilteln fort und fort zu flicken, sondern
darauf kommt es an, dass man eine neue Rechts- und Lebens-
ordnung gründe, bei der man die Einrichtung seiner Privatver-
hältnisse Jedem möglichst frei überlassen kann, bei der man so
wenig als möglich polizeiliche Controle und Nachhülfe nöthig
hat. Täglich hören wir die Klage über unsern angeblichen Po-
lizeistaat und nicht nur unter den Regierten, sondern ebenso
unter den Regierenden wird der Wunsch laut, dass des polizei-
lichen Eingreifens weniger werde. Zu diesem Ziel zu gelangen,
hilft aber das blosse Klagen nicht und ebensowenig würde das
einfache Aufhörenlassen der polizeilichen Thätigkeit dazu führen ;
denn die Nothstände, welche Abhülfe begehren, sind einmal da
und der selbstständige und selbstthätige Bürgergeist, der nicht
so viel Uebel aufkommen lässi und, wo es kommt, rechtzeitig
und unmittelbar eingreift, ist nicht vorhanden. Desshalb muss
man regieren und viel regieren, und mit jedem Tag mehr re-
gieren. Da ist nirgends Hülfe zu finden, als in einer Hebung
des Selbstständigkeitsgeistes im Volke selbst, und das ist zunächst
für unsre bäuerlichen Verhältnisse unsre Aufgabe, diesen guten
Geist, wo er noch ist, zu pflegen, wo er nicht ist, eine neue
Basis zu gewinnen, auf welcher er sich bilden und allmählich
Boden gewinnen kann. Dazu aber führt uns ein Minimum nicht;
es stärkt nur den Geist, aus dem es herausgewachsen ist, den
Geist bürgerlicher Unselbstständigkeit und polizeilichen Eingreifens.
Wer die Dinge von diesem Standpunkt aus betrachtet, kann
prinzipiell für ein Minimum nicht slimmen. Andrerseits aber
müssen wir anerkennen, dass in Gemeinden, wo die Zwerg-
wirthschaft bereits einheimisch geworden ist, welche mit Tag-
löhnerlandwirthen und armen Gewerbtreibenden angefüllt sind,
und wo damit der Geist bürgerlicher Unabhängigkeit und. Selbst-