Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

. Studien über württembergische Agrarverhältnisse. 455 
es ebenso unbedingt nöthig, alle vorhandenen Rechtsansprüche 
zu bereinigen, ehe man die Geschlossenheit ausspricht. 
Drittens ist sehr zu bezweifeln, dass sich im Gebiet der 
Theilbarkeit genug Güter finden werden, welche im Stande sind, 
einen geschlossenen Bestand zu bilden. 
Dass nämlich die kleinsten Güter bis zur Grenze der Er- 
nährungsmöglichkeit einer Familie sich dazu nicht eignen, sieht 
man leicht, wenn man erwägt, dass hier eine Belastungsmöglich- 
keit eigentlich gar nicht vorhanden ist, und dass der Besitzer 
dabei nichts ersparen kann. Hier würden also alle Kinder mit 
Ausnahme des das Gut übernehmenden bei der Erbtheilung leer 
ausgehen müssen. Die zum Mindesten erforderliche Grösse wäre 
wohl die, dass der Ertrag bei guter Wirthschaft und sparsamer 
Haushaltung den Besitzer in den Stand seizt, so viel zu erwer- 
ben, dass bei mittlerer Kinderzahl der das Gut übernehmende 
Erbe dasselbe nicht überlastet antreten muss, und die übrigen 
Kinder nicht allzusehr verkürzt werden. Wie viel Morgen Lan- 
des dazu erforderlich sind, lässt sich bei der Verschiedenheit der 
Bodengüte und der Wirthschaften natürlich nicht allgemein sagen. 
Auch bei gut mittlerem Boden jedoch und der in den wärmeren 
Lagen unseres Landes üblichen intensiven Dreifelderwirthschaft 
wird nicht viel weniger als zwanzig Morgen Bauland !) (Aecker 
  
1) Das Ernährungsminimum einer mittleren Familie mit einer Kuh sinkt 
in den besten Weinbauorten unsers Unterlands auf etwa 3 Morgen herab. 
Dabei ist der Besitz von wenigstens !/2 Morgen Weinberg vorausgesetzt, 
mit dessen Ertrag der grösste Theil der Geldausgaben bestritten, der aber 
zumal in den geringen Weinbergen auch zum Bau anderer Gewächse ver- 
wendet wird. (Hier in Tübingen z. B., hart an der Grenze des Weinbaus 
im obern Neckarthal, erndtet ein Weingärtner ausser Wein an Bohnen, Zwie- 
bein, Mais, Johannis- und Stachelbeeren bis zu 16 fl. vom Morgen. Ausser- 
dem hat er noch etwas Weinlaub als Futter und etwas Holzbüschel als 
Feuerungsmittel aus seinem Weinberg.) Ausserhalb der Weinbaugegenden 
hat man mir bei gutem Boden übereinstimmend in mehreren Orten sechs 
Viertel in der Zelge und einen Morgen Wiesen, also im Ganzen 5'/» Morgen, 
Bauland als Ernährungsminimum einer bäuerlichen Wirthschaft mit einer Kuh 
angegeben, was mit den Angaben von Koppe nahezu übereinstimmt. So 
aber, wie eine derartige Familie, kann ein ordentlicher Bauer, der Dienst- 
boten hat, nicht leben. Er braucht zu seiner Haushaltung gewiss das Dop- 
pelte. Ein Besitz von gegen 20 Morgen würde demnach genügen, um bei 
Zeitschr. für Staatsw. 4853. 3s Heft. 30
	        
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