Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

46 Betrachtungen 
nicht vorgebeugt oder abgeholfen werden kann, der Mildthätig- 
keit überlassen bleiben. 
Die Lösung des .ersten Problems, nämlich begründete 
Ansprüche in der Form eines Rechtes sicher zu stellen, dagegen 
auch jeden Anspruch an die Erfüllung einer Leistung zu knüpfen 
und auf das Maass derselben zurückzuführen, wird, wenn nicht 
allein so doch vorzüglich Aufgabe der Gemeindeverwaltung 
sein. Denn nur in Verhältnissen, die ihn unmittelbar berühren 
und in den Kreisen in welchen er sich täglich bewegt, kann dem 
einfachen Sinne des gemeinen Mannes die Verbindung zwischen 
Recht und Pflicht anschaulich gemacht und ihm die Aner- 
kennung der Gerechtigkeit und Weisheit gesetzlicher Bestimmungen 
abgenöthigt werden. Bei Uebung der Mildtihätigkeit ist die Her- 
stellung einer Ordnung, die Beobachtung von Grundsätzen und eine 
leitende Hand ohne Zweifel ebenso unentbehrlich, als bei den Maass- 
regeln, welche zum Besten der selbstständigen Arbeiter getroffen 
werden. Eine regellos geübte, planlose und von keiner Ein- 
wirkung auf den sittlichen Charakter begleitete Mildthätigkeit wird 
nur Unheil statt des Segens verbreiten. 
Allein die Belebung, Ordnung und Leitung der Wohlthätig- 
keit ist nicht Sache der Gewalten. 
Dem Nächsten, auch wenn er keine Rechte gegen uns geltend 
zu machen hat, in seiner Noth die helfende Hand zu reichen ist 
ein Gebot unserer Religion. Zur Erfüllung dieser Pflicht in 
ihrer wahren Natur anzuspornen, den Gaben der Liebe ihren 
eigenthümlichen Charakter zu bewahren und die unbeschränkte 
Freiheit dennoch an die Regel zu binden, zur Beobachtung einer 
Ordnung und Hingabe an eine Leitung zu vermögen, hat der 
Staat keine Mittel. Er muss davon abstehen, eine Aufgabe lösen 
zu wollen die in seinen Händen ihre Natur verändert, und ihn 
in unauflösliche Widersprüche verwickelt. Die Uebung der re- 
ligiösen Pflichten einzuschärfen, zu überwachen und zu leiten, 
ist der Beruf der Kirche. Ihr hat daher der Staat die Ordnung 
der Wohlthätigkeit zu überlassen. 
Auch wenn die Mildthätigkeit in angemessener Weise geordnet 
ist, werden dennoch Fälle vorkommen, in welchen die Gaben der 
Liebe zur Abhilfe der vorhandenen Noth nicht hinreichen, und es
	        
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