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nicht vorgebeugt oder abgeholfen werden kann, der Mildthätig-
keit überlassen bleiben.
Die Lösung des .ersten Problems, nämlich begründete
Ansprüche in der Form eines Rechtes sicher zu stellen, dagegen
auch jeden Anspruch an die Erfüllung einer Leistung zu knüpfen
und auf das Maass derselben zurückzuführen, wird, wenn nicht
allein so doch vorzüglich Aufgabe der Gemeindeverwaltung
sein. Denn nur in Verhältnissen, die ihn unmittelbar berühren
und in den Kreisen in welchen er sich täglich bewegt, kann dem
einfachen Sinne des gemeinen Mannes die Verbindung zwischen
Recht und Pflicht anschaulich gemacht und ihm die Aner-
kennung der Gerechtigkeit und Weisheit gesetzlicher Bestimmungen
abgenöthigt werden. Bei Uebung der Mildtihätigkeit ist die Her-
stellung einer Ordnung, die Beobachtung von Grundsätzen und eine
leitende Hand ohne Zweifel ebenso unentbehrlich, als bei den Maass-
regeln, welche zum Besten der selbstständigen Arbeiter getroffen
werden. Eine regellos geübte, planlose und von keiner Ein-
wirkung auf den sittlichen Charakter begleitete Mildthätigkeit wird
nur Unheil statt des Segens verbreiten.
Allein die Belebung, Ordnung und Leitung der Wohlthätig-
keit ist nicht Sache der Gewalten.
Dem Nächsten, auch wenn er keine Rechte gegen uns geltend
zu machen hat, in seiner Noth die helfende Hand zu reichen ist
ein Gebot unserer Religion. Zur Erfüllung dieser Pflicht in
ihrer wahren Natur anzuspornen, den Gaben der Liebe ihren
eigenthümlichen Charakter zu bewahren und die unbeschränkte
Freiheit dennoch an die Regel zu binden, zur Beobachtung einer
Ordnung und Hingabe an eine Leitung zu vermögen, hat der
Staat keine Mittel. Er muss davon abstehen, eine Aufgabe lösen
zu wollen die in seinen Händen ihre Natur verändert, und ihn
in unauflösliche Widersprüche verwickelt. Die Uebung der re-
ligiösen Pflichten einzuschärfen, zu überwachen und zu leiten,
ist der Beruf der Kirche. Ihr hat daher der Staat die Ordnung
der Wohlthätigkeit zu überlassen.
Auch wenn die Mildthätigkeit in angemessener Weise geordnet
ist, werden dennoch Fälle vorkommen, in welchen die Gaben der
Liebe zur Abhilfe der vorhandenen Noth nicht hinreichen, und es