vom Asyle. 574
alles Andere umsonst, höchstens Stückwerk. Dabei aber sei, zur
Vermeidung jedes Missverständnisses, nochmals ausdrücklich be-
merkt, dass der Grundsatz der „Territorialität des Rechtes“ keines-
wegs als die längst gefundene Lösung der hier gestellten Aufgabe
vorgebracht werden kann. Dieser Grundsatz spricht sich nur
über die Befugniss und die Pflicht des Staates in Beziehung auf
seine eigene Rechtsordnung aus; hier handelt es sich aber ja
eben davon, ob und was etwa er über diese Aufgabe hinaus,
nämlich in Beziehung auf fremde Rechtsordnungen, zu leisten
habe ?
Die zweite Ursache des jetzigen ungenügenden Zustandes
ist der Mangel an Zusammenfassung der ganzen Lehre. Die
einzelnen grossen Fragen, in welche sich die Beihülfe zu einer
Weltrechtsordnung logisch zerlegt, werden — mit sehr seltener
Ausnahme — vollständig getrennt von einander behandelt; in
der Regel in ganz verschiedenen Wissenschaften. So die Vor-
beugung, so weit von ihr überhaupt die Rede ist, in der Polizei;
die Rechtshülfe in bürgerlichen Streitigkeiten im Privatrechte;
die internationalen strafrechtlichen Fragen im Strafrechte und
Strafverfahren; das Asylrecht und die Auslieferung, vielleicht
noch zuweilen ein Lappen einer der anderen Fragen, im Völker-
behauptet, dass der Staat nur innerhalb seiner Gebietsgränzen Recht zu
schaffen im Stande sei; oder annimmt, der Staat könne fremdes Recht wohl
in Fragen des bürgerlichen, nicht aber auch des öffentlichen Rechtes aner-
kennen: während doch der erste Satz vollkommen willkührlich und sogar,
wenn einmal eine ausgedehntere Rechtsaufgabe angenommen ist, offenbar
unrichtig ist; der zweite gegen die täglichen Erfahrungen im Völkerleben,
z. B. bei Staatsverträgen, läuft, und gelegentlich selbst die Möglichkeit eines
internationalen Privatrechtes läugnet; für den dritten aber gar kein Grund
einzusehen ist, da doch offenbar die Aufrechthaltung des bürgerlichen Rechtes
eine eben so wesentliche Staatshandlung ist, als das Gebahren mit politischen
Rechten. — Zu welchen grossen Lücken aber der Mangel an umfassenden
obersten Grundsätzen führen kann, beweist gewiss die bisherige Unterlassung
jeglichen Versuches, die Vorbeugung von Unrecht gegen fremde Rechtsord-
nungen wissenschaftlich zu untersuchen und zu ordnen. Jeder allgemeine
oberste Grundsatz über die Ausdehnung der Rechtspflicht des Staates hätte
mit logischer Nothwendigkeit zur Behandlung dieser Frage geführt, und
zwar sogar vor allem Andern.