Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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§. 142. 
Die Bestellung des Vertheidigers kann schon während des Vorverfahrens 
erfolgen. 
§. 143. 
Die Bestellung ist zurückzunehmen, wenn demnächst ein anderer Verthei= 
diger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt. 
§. 144. 
Die Auswahl des zu bestellenden Vertheidigers erfolgt durch den Vor= 
sitzenden des Gerichts aus der Zahl der am Sitze dieses Gerichts wohnhaften 
Rechtsanwälte. Für das vorbereitende Verfahren erfolgt die Bestellung durch 
den Amtsrichter. 
Auch Justizbeamte, welche nicht als Richter angestellt sind, sowie solche 
Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst 
bestanden haben, können als Vertheidiger bestellt werden. 
§. 145. 
Wenn in einem Falle, in welchem die Vertheidigung eine nothwendige 
oder die Bestellung eines Vertheidigers in Gemäßheit des §. 141 erfolgt ist, 
der Vertheidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder 
sich weigert, die Vertheidigung zu führen, so hat der Vorsitzende dem Angeklagten 
sogleich einen anderen Vertheidiger zu bestellen. Das Gericht kann jedoch auch 
eine Aussetzung der Verhandlung beschließen. 
Erklärt der neu bestellte Vertheidiger, daß ihm die zur Vorbereitung der 
Vertheidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung 
zu unterbrechen oder auszusetzen. 
Wird durch die Schuld des Vertheidigers eine Aussetzung erforderlich, so 
sind demselben, vorbehaltlich dienstlicher Ahndung, die hierdurch verursachten 
Kosten aufzuerlegen. 
§. 146. 
Die Vertheidigung mehrerer Beschuldigter kann, insofern dies der Auf= 
gabe der Vertheidigung nicht widerstreitet, durch einen gemeinschaftlichen Ver= 
theidiger geführt werden. 
§. 147. 
Der Vertheidiger ist nach dem Schlusse der Voruntersuchung und, wenn 
eine solche nicht stattgefunden hat, nach Einreichung der Anklageschrift bei dem 
Gerichte zur Einsicht der dem Gerichte vorliegenden Akten befugt. 
Schon vor diesem Zeitpunkte ist ihm die Einsicht der gerichtlichen Unter= 
suchungsakten insoweit zu gestatten, als dies ohne Gefährdung des Untersuchungs= 
zweckes geschehen kann. 
Die Einsicht der Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten, der 
Gutachten der Sachverständigen und der Protokolle über diejenigen gerichtlichen 
Handlungen, denen der Vertheidiger beizuwohnen befugt ist, darf ihm keinenfalls 
verweigert werden.
	        
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