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seitens Badens Genüge geleistet wurde, so handelt es sich um eine
Frage, deren Lösung in den Bereich der Reichskompetenz fällt; denn
es steht die Verletzung eines Reichsgesetzes, somit einer verfassungs-
mäßigen Bundespflicht in Frage.
Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, daß der Bundesrat
jederzeit befugt ist, sowohl die Vorbereitung seiner Rechts= als auch
die der Exekutionsentscheidung einem der aus seiner Mitte gewählten
dauernden oder je nach der Lage der Sache und der Materie einem
speziell für die konkrete Angelegenheit ernannten außerordentlichen
Ausschusse zuzuweisen. Derartige Ausschüsse entwicheln jedoch keinerlei
selbständige Tätigkeit, da ihnen nur beratende und vorbereitende Funk-
tionen zukommen, niemals oder höchstens in sehr untergeordneter Weise
eine eigentliche Beschlußfassung, die Entscheidung liegt vielmehr im
Bundesrate selbst. Seydel wirft noch eine andere Frage auf.)) Kann,
wenn etwa der Bundesrat nicht versammelt sein sollte, der Beschluß
des Bundesrates über die Exehution auch im Wege schriftlicher Um-
frage bei den Bundesregierungen ohne Dazwischenhunft der Bevoll-=
mächtigten bewirkt werden? Auch dieses Auskunftsmittel dürfte für
den Notfall als nicht ausgeschlossen erachtet werden; denn es ist kein
Grund einzusehen, weshalb die Auftraggeber nicht das beschließen
können, was die Bevollmächtigten zu beschließen befugt sind. Im
Gegensatze hiezu behauptet Hänel,:) daß nur den Mitgliedern des
Bundesrates als solchen und nur innerhalb der Körperschaft das Recht
der Teilnahme an der Beschlußfassung zustehe. Allein die Reichs-
verfassung läßt weder ihrem Wortlaute noch ihrem Geiste nach eine
solche formalistische Auffassung zu.
Bei der Frage, ob die Voraussetzungen zur Exekution gegeben
sind, nimmt Seydel einen von der Ansicht der übrigen Staatsrechts-
lehrer abweichenden Standpunkt ein.) Es sei ein Unterschied dahin
zu machen, ob sich der Streit um das Recht überhaupt oder nur um
die Anwendung des unbestrittenen Rechtes drehe. Im letzteren Falle
sollte einfache Mehrheit im Bundesrate entscheiden. Beim Streite um
das Recht sei dagegen, falls nicht Vereinbarung auf schiedsrichterlichem
1) OZeydel S. 145 fg.
„s) Hänel I1 5. 243 fg.
2) Seydel, Kom. S. 189.
Seydel bei Holtzendorff (Jahrbuch f. Gesetzgebung 1879) S. 287 fg.
Gleiche Ansicht Arndt S. 111.
Hänel 1 5. 448.
Rönne S. 69.
Zorn I ÖS. 140.
Meyer S. 678.
Zorn stimmt H. 175 Seydel zu. Schilling SÖ. 82 erklärt diesen Wider-
spruch damit, daß auf S. 140 in dem Satze: „Der Weg der authentischen Gesetzes-
deklaration ist nicht erforderlich,“ zwischen den beiden letzten Worten ein „stets“
oder „immer“ versehentlich ausgefallen ist, dann wäre aber Zorn ein Vertreter
der Ansicht Seydels.