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diesem Vorbilde begründeten auch diedeutschen Staaten durchgängig Ge-
setzsammlungen, Preußen durch die Verordnung vom 27.Oktober 1810.
In Preußen beruht die Art der Verkündigung und ihre Wir-
kung jetzt auf dem Gesetze vom 10. April 1872. Danach bedürfen
alle Gesetze und königlichen Verordnungen mit Ausnahme gewisser
Verordnungen rein örtlichen Charakters der Verkündigung durch
die Gesetzsammlung. Der Gesetzgeber kann den Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Gesetzes und seiner Verbindlichkeit selbst bestimmen
entweder für sofort oder erst nach längerer Zeit. Nur soweit es
an einer solchen Bestimmung fehlt, tritt das Gesetz in Kraft vier-
zehn Tage nach Ausgabe der betreffenden Nummer der Gesetz-
sammlung in Berlin. Es ist damit die Praesumtio iuris et de
iure begründet, daß jeder von dem Gesetze Kenntnis hat.
An sich würde es der Rechtslogik entsprechen, daß nur verbind-
lich werden kann, was rechtsgültig zur Entstehung gelangt ist.“
Hiernach müßte jeder Beteiligte prüfen können, ob dem Gesetze
nicht etwas an seinem rechtsgültigen Zustandekommen fehlt, und es
etwa aus diesem Grunde unverbindlich ist. Damit kommen wir
auf die viel erörterte Frage des sogenannten richterlichen
Prüfungsrechts.
Man hat in dem Prüfungsrechte, das, wenn zugestanden,
natürlich nicht auf die Gerichte beschränkt sein kann, eine Gewähr
des Rechtsstaates und der Gesetzmäßigkeit der staatsrechtlichen Vor-
gäuge sehen wollen. Auf der anderen Seite wird damit den Be-
teiligten eine zum Teil unmögliche Leistung, wie Verfolgung aller
Vorgänge in den Kammern, Vorhandensein der königlichen Unter-
schrift, zugemutet. Die Möglichkeit der Anfechtung trägt aber eine
große Unsicherheit in das Rechtsleben hinein. Die Nachteile des
Prüfungsrechts überwiegen daher die Vorteile.
Deshalb ist es vielfach verfasfsungsmäßig ausgeschlossen.
In Preußen steht nach. Art. 106 Vll. die Prüfung der Rechts-
gültigkeit gehörig verkündeter königlichen Verordnungen nicht den
Behörden, sondern nur den Kammern zu. Was von Verordnungen
gilt, findet natürlich auch auf Gesetze Anwendung, da sie mit Zu-
stimmung der Kammern erlassene königliche Verordnungen sind.
Der Formalakt der Verkündigung begründet hiernach die
Bornhak, Grundriß des Staatsrechts. 3. Aufl. 7