Erwerb für einen Deutschen durch Aufnahme. 8 7. 53
Luch bei Schaffung des vorliegenden Gesetzes hat eine dahin zielende Anderung
nicht stattgefunden. Der Verfasser kann sich allerdings nicht verhehlen, daß
gegen den preußischen Antrag, wonach über den Bettler oder Landstreicher
eine Ausweisung aus dem Staat nicht verfügt werden darf, in welchem er
zuletzt bestraft worden ist, insofern Bedenken obwalten, als ein solches Indivi-
duum es vollständig in seiner Macht hat, durch abermaliges Betteln oder Land-
streichen seinen künftigen Aufenthaltsort für 12 Monate frei zu bestimmen.
Durch die süddeutsche Auslegung wird einer derartigen Aufenthaltswahl ein
Riegel vorgeschoben, indem ein solches Individuum sofort nach Verbüßung
der Strafe nach seinem Heimatstaate abgeschoben werden kann.
e) Wenn der um die Aufnahme Nachsuchende nicht hinreichende
Kräfte") besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen"") An-
gehörigen den notdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen und
solchen weder aus eigenem Vermögen bestreiten, noch von einem
*) Da nach dem § 4 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes die Besorgnis vor
künftiger Verarmung den Gemeindevorstand zur Zurückweisung neu an-
ziehender Personen nicht berechtigt, so werden die Kräfte einer neu anziehenden
Person als hinreichend und bei deren Erwerbsunfähigkeit das eigene Vermögen
oder die Unterstützung seitens der alimentationspflichtigen Verwandten als
genügend zu erachten sein, wenn Arbeitskräfte, eigenes Vermögen oder
Unterstützung seitens der Verwandten für die nächste Zeit zur Be-
streitung des notdürftigen Lebensunterhalts, also derjenigen Ausgaben, welche
für Obdach, Ernährung und Pflege in Krankheitsfällen (§ 1 Abs. 1
des preuß. Ausführungsges. vom 8. März 1871) erforderlich sind, genügen.
Sache der höheren Verwaltungsbehörden ist es, der ausschließlichen Geltend-
machung des fiskalischen Interesses seitens der Gemeindeverwaltung bei Ab-
weisung neu anziehender Personen entgegenzuwirken; dahin zielen auch ver-
schiedene Verfügungen des kgl. preuß. Ministers des Innern; dieselben beziehen
sich zwar zumeist auf das preußische Gesetz über die Aufnahme neu anziehender
Personen vom 31. Dez. 1842 (GS. 1843 S. 5 ff.), sie haben aber gegenwärtig
noch Geltung, da die wesentlichen Bestimmungen des gedachten preußischen
Gesetzes sich in dem Freizügigkeitsgesetze wiederfinden. Nach diesen Verfügungen
vom 30. April 1845 und vom 31. Aug. 1869 (Ml. S. 119 bzw. 267) sollen
die Gemeinden nicht befugt sein, einen neu Angezogenen, welcher z. B. nicht
hinreichende Mittel besitzt, um für seine Kinder das Schulgeld zu bezahlen oder
mit der Berichtigung öffentlicher Abgaben oder Gemeindesteuern im Rückstand
bleibt, abzuweisen, „da die Unfähigkeit, der aus dem öffentlichen Rechte ent-
springenden Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme zu genügen, als ein
Mangel an dem notwendigsten Lebensbedürfnisse nicht aufgefaßt werden kann“.
Auch kann die Aufnahme einer Person um deswillen nicht versagt werden,
weil ihr die moralische Kraft nicht zuzutrauen ist, von ihren physischen Kräften
Gebrauch zu machen, oder weil sie der Trunksucht ergeben ist (vgl. Erlaß des
preuß. Min. d. J. vom 9. Juli 1843 und 25. Febr. 1860, Ml. S. 216 bzw. 70),
oder Unterstützung aus Staatsfonds — nicht aber aus öffentlichen Armen-
mitteln — empfängt (Erlaß des preuß. Min. d. J. vom 16. Febr. 1859).
**)Hinsichtlich der armenrechtlichen Familiengemeinschaft sind im Zentralbl.
f. d. Deutsche Reich 1883 S. 87 die Grundsätze des Bundesamts für das Heimats-
wesen veröffentlicht worden. ·
Nach dem Grundsatze I gehören zur Familie im armenrechtlichen Sinne
alle diejenigen, welche an den Unterstützungswohnsitzverhältnissen des Familien-
hauptes teilnehmen, mag letzteres einen Unterstützungswohnsitz haben oder land-
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