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Dienstanweisung,
betreffend
das Strafverfahren vor den Kaiserlichen Konsulaten als Seemannsämtern.
–.
Das Strafverfahren vor den Seemannsämtern ist durch die Seemannsordnung vom 2. Juni 1902
—ier OieichsGeseel S. 175) sowie durch die in Abdruck anliegende auf Grund des §. 123 Abs. 4 dieses
G* esetzes erlassene Verordnung des Bundesrats vom 13. März 1903 (Reichs-Gesetzbl. S. 42) neu ge-
regelt worden. Zur Ausführung dieser Vorschriften werden für die Konsulate als Seemannsämter im
Auslande folgende Weisungen erlassen:
· §.1.
Grganisation.
1. Die Konsulate als Seemannsämter entscheiden nach §. 5 der Seemannsordnung in Straf-
sachen ebenso wie in allen anderen seemannsamtlichen Angelegenheiten ohne Zuziehung von Beisitzern.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist der Konsul von der Entscheidung ohne weiteres aus-
geschlossen, wenn die Voraussetzungen des §. 22 der Strafprozeßordnung!) vorliegen. Er wird indes
den Straffall auch dann nicht entscheiden dürfen, wenn er persönlich als Reeder beteiligt ist und der
Angeschuldigte oder der zum Strafantrage Berechtigte widerspricht.
2. Zur Aufnahme des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem Seemannsamte
kann nach §. 14 der Verordnung des Bundesrats ein vereidigter Protokollführer zugezogen werden.
Als solcher ist, sofern dies für angezeigt erachtet wird, ein Beamter des Konsulats oder eine sonst
geeignete Person zu bestellen. Der für Personen, die nicht den Diensteid als Konsulatsbeamte abgelegt
haben, im §. 14 der Verordnung vorgesehene Eid ist dahin zu leisten:
„Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Obliegenheiten
eines Protokollführers getreulich zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe." .
3. Die Zulassung eines Verteidigers ist nach 8. 6 Satz 3 der Verordnung des Bundesrat
von dem Ermessen des Konsuls abhängig. Der Verteidiger wird hiernach stets abgelehnt werden
können, wenn von seinem Auftreten Unzuträglichkeiten zu besorgen sind.
8. 2.
Zuständigkeit.
1. Die sachliche Zuständigkeit der Seemannsämter ist im §. 122 der Seemannsordnung ge-
regelt. Danach sind die Konsulate zur Untersuchung und Entscheidung in den Fällen des §. 93 Abs. 1, 2
und der 98§. 95, 96, 107, 114 bis 116 der Seemannsordnung berufen; ferner sind sie zuständig in
den Fällen des §. 8 des Gesetzes, betreffend die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme
heimzuschaffender Seeleute, vom 2. Juni 1902 (Reichs-Gesetzbl. S. 212)2) sowie des §. 9 Abf. 1
Nr. 3, 4 des Gesetzes, betreffend die Stellenvermittelung für Schiffsleute, vom 2. Juni 1902 (Reichs-
Gesetzbl. S. 215).2) Alle diese Fälle betreffen Personen, die zur Schiffsbesatzung gehören, also den
1 Der 8. 22 der Strafprozeßordnung lautet:
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen:
1. wenn er selbst durch die strafbare Handlung verletzt ist;
2. wenn er Ehemann oder Vormund der beschuldigten oder der verletzten Person ist oder gewesen ist;
3. wenn er mit dem Beschuldigten oder mit dem Verletzten in gerader Linie verwandt, verschwägert
oder durch Adoption verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis
zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft
begründet ist, nicht mehr besteht: - «
4. wenn er in der Sache als Beamter der Staatsanwaltschaft, als Polizeibeamter, als Anwalt
des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist;
5. wenn er in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist.
)Den Kaiserlichen Konsulaten in den Hafenplätzen mitgeteilt durch den Runderlaß vom 5. März 1903, II. 5500.