128 Verfassungsurkunde. 8 72.
§ 72. Sschutz- und Mufsichtsrecht des staates.
Dem Könige gebührt das obersthoheitliche Schutz= und
Aufsichtsrecht über die Kirchen.
Vermöge desselben können die Derordnungen der Kirchen=
gewalt ohne vorgängige Einsichklt und Genebmigung des
Staatsoberhauptes weder verkündet, noch vollzogen werden.
1. Abs. 2gilt nicht mehr für die katholische Kir-
che; der Art. 1 des Gesetzes vom 30. Januar 1862, betreffend die
Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche
bestimmt in dieser Hinsicht:
„Die von dem Erzbischof, dem Bischof und den übrigen kirch-
lichen Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen und Kreis-
schreiben an die Geistlichkeit und Diözesanen, wodurch dieselben zu
etwas verbunden werden sollen, was nicht ganz in dem eigentüm-
lichen Wirkungskreise der Kirche liegt, sowie auch sonstige Erlasse,
welche in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse eingreifen, unter-
liegen der Genehmigung des Staates. Solche allgemeine kirchliche
Anordnungen und öffentliche Erlasse dagegen, welche rein geistliche
Gegenstände betreffen, sind der Staatsbehörde gleichzeitig mit der
Verkündigung zur Einsicht mitzuteilen.
Denselben Bestimmungen unterliegen die auf Diözesan= und
Provinzialsynoden gefaßten Beschlüsse; ebenso die päpstlichen Bullen,
Breven und sonstigen Erlasse, welche immer nur von dem Bischof
verkündet und angewendet werden dürfen.
Die vorstehenden Bestimmungen treten bezüglich der Verord-
nungen der katholischen Kirchengewalt an die Stelle des hiedurch
unter Beobachtung der Vorschrift des § 176 der Verfassungsurkunde
aufgehobenen zweiten Satzes des § 72 der Verfassungsurkunde.“
2. Das staatliche Schutzrecht äußert sich in den Normen
des Strafgesetzbuchs gegen Gotteslästerung, Beschimpfung einer Re-
ligionsgesellschaft, Störung des Gottesdienstes und der Grabesruhe
(St GB. §§ 166—168), in den Anordnungen zum Schutze der Feier
des Sonntags und kirchlicher Festtage, in der Sicherung kirchlicher