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(No. 1414.) Allerhoͤchste Kabinetsorber vom Bsten Februar 1833., wegen Unzulaͤssigkeit ber
freiwilllgen Prorogation des Gerichtsstandes in Ehescheidungssachen.
D. nach Ihrem Berichte vom 26en d. M. bei einigen Gerichten angenom-
mene und praktisch durchgeführte Meinung, als ob in Ehescheidungsprozessen
eine freiwillige Prorogation des Gerichtsstandes gesetzlich zuladssig sey, ist mit der
öffentlichen Ordnung und mit den Gesetzen, welche für die Erhaltung der Ehen
aus religissen und sittlichen Rücksichten ernstliche Vorsorge tragen, ganz unver-
einbar. Auch würde eine solche Prorogation des Gerichtsstandes, über welche die
Partheien übereinkommen, nichts anders seyn, als ein Kompromiß der Eheleute,
welches in dem von Ihnen angeführten 6. 169. Titel II. der Prozeßordnung,
um des gemeinen Besten willen, ausdrücklich untersagt ist, und es läßt sich kei-
nesweges anerkennen, daß die Bestimmungen der Prozeßordnung in den 665.
160. 161. Titel II. hierüber irgend einen Zweifel veranlassen. Denn Eheschei-
dungsprozesse gehören nach §. 128. Zusatz 37. zu den Rechtsgeschäften, denen
nach 6. 126. wegen ihrer besondern Beschaffenheit ein eigener Gerichtsstand an-
gewiesen ist; sie sollen jederzeit vor dem persönlichen Gerichtsstande des Ehemanns
entschieden werden, wodurch ein spezieller Gerichtsstand der Sache begründet wird,
der nach §&. 161. die Zulässigkeit der freiwilligen Prorogation ausschließt, weil
dem ungehörigen Richter die Befugniß nicht zusteht, über einen Gegenstand zu
erkennen, dessen Entscheidung an das Spezialsorum der Sache in Ehescheidungs-
prozessen, also an den persönlichen Gerichtsstand des Ehemanns, gewiesen ist.
Ich genehmige nun zwar, daß nach Ihrem Antrage, die auf den Grund freiwil-
liger Prorogationen von unbesugten Richtern rechtskräftig erkannten Ehescheidun-
gen aufrecht erhalten werden, es bedarf jedoch keiner Deklaration der gesetzlichen
Bestimmungen, sondern nur einer berichtigenden Belehrung der Gerichte, welche
denselben mittelst Aufnahme deeses Befehls in die Gesetz-Sammlung zu ertheilen ist.
Berlin, den 25sten Februar 1833.
Friedrich Wilhelm.
An
die Staats= und Justizminister v. Kamptz und Mühler.