Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

dort gesprochen werden darf. Von hier aus über- 
sieht man das tiefliegende Ujiji mit seinen Araber- 
temben und seinen viereckigen und runden in dichtem 
Durcheinander gebauten, grasgedeckten, lehmbeschmier-= 
ten Häuschen und Hütten, dazwischen Pflanzungen 
von schönen Mangobäumen, einzelnen Dattelpalmen 
und Oelpalmen, Citronen und anderen Obstbäumen, 
wie solche in allen Araberniederlassungen zu finden 
sind, die einzigen Punkte dort, auf denen das 
Auge gerne ruht. Dieser Hauptort Ujiji, auch 
Kawele oder Ugori genannt, liegt tief in einer 
muldenartigen, zum Strande sich verflachenden 
Thalsenkung, gebildet durch große, allmählich gegen 
den Tanganyika abfallende Terrainwellen, auf deren 
südlichen wir uns befanden. Ujij#i liegt zur Zeit 
eiwa 200 Meter vom Strande ab, doch soll vor 
Jahren das Wasser noch bis an Rumalizas Tembe, 
welche am weitesten gegen den Strand vorgeschoben 
ist, gereicht haben. Der See bildet eine weitc, offene 
Bucht mit langem, flachem, sandigem Strande, nach 
Süden zu ist die Bucht durch eine weit vorspringende, 
slache, etwas versumpfte Landzunge abgegrenzt, nach 
Norden durch eine in cin fesiges Kap auslaufende, 
baum= und buschlose, öde Hügelkette. Hinter diesem 
Kop, also von Ujiji aus nicht sichtbar, in einer Ent- 
fernung von 1½ Stunden, bildet sich eine schöne 
tiese Einbuchtung zum Orte Kigoma und ist dies 
ein guter Hasen und Ankerplatz selbst für Dampfer. 
Im Nordosten sahen wir von unserem Standpunkte 
aus, in ziemlicher Entfernung, Berge bis zu etwa 
1000 Fuß Höhe, in diesen wohnt der Sultan der 
Landschaft Usii, Rusimbi. Im Westen wurden 
bei klarem Wetter die hohen Bergketten mit dem 
1700 Fuß hohen Msosi-Berge der Landschaft Ugoma 
im Kongostaate sichtbar. 
So angenehm der erste Eindruck beim Aunblick 
Uüjis auch sein mag, bei näherer Besichtigung und 
Kenntniß des Platzes muß er sich in Mißfallen und 
Widerwillen verwandeln, denn dieser Schmuß, dieser 
verpestete, heiße, staubaufwirbelnde Wind, dies schlechte 
ungesunde Wasser, diese Tausende von allenthalben 
dict bei den Häusern herumliegenden Menschen- 
gerippen mit ihren kahlen, weißen Schädeln und 
diese Menge von halbverwesten und frisch hinge- 
worfenen Kadavern spotten jeder Beschreibung. Hier 
erst treten uns die Mißstände der Araberwirthschaft 
und des Negerstumpfsinns so recht unverfälscht und 
ugeschminkt vor die Augen. Von hundert aus 
Manjema herübergebrachten Sklaven fallen in Ujiji, 
lout Aussagen der Araber, mindestens achtzig durch 
Fieber, Dysenterie und Pocken. Zu all diesem ekel- 
erregenden Greuel kommt noch die Landplage der 
Erdflöhe, die wohl nirgends so günstige Bedingungen 
zu noch größerer Entwickelung findet als in dieser 
großen Düngergrube „Uj##i"! Man sieht hier 
Hunderte von Krüppeln ohne Fusinägel, ja selbst ohne 
Zehen und mit wunden Schwären an den Füßen 
in den Straßen herumliegen. Unsere sämmtlichen 
Mannschaften und Träger und selbst ich hatten noch 
  
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wochenlang nach Ujiji von diesen Insekten zu leiden. 
Die Verpflegung in Ujiji ist momentan beinahe 
unmöglich geworden, denn die ackerbauenden Ein- 
geborenen der Landschaften um den Tanganyhika haben 
sich von den Ufern weit ins Land verzogen, um sich 
den Gewaltthaten der Araber oder vielmehr denen 
ihrer Kulturprodukte, der „Wangwaner“, zu entziehen. 
Die Landschaften von Urundi und Usige, aus welchen 
ein großer Theil der Verproviantirungsartikel für 
Ujiji geliefert worden war, sind zur Zeit von den 
Ruga-Rugas des Rumaliza gänzlich ausgeplündert, 
die Felder liegen verwüstet und unbestellt. Laut 
Aussage der Araber und des Kapitäns Jacques 
soll es an den Manjema-Ufern des Sees nicht besser 
bestellt sein. Auch der Holzmangel in Ujij, selbst 
an Brennholz, ist gleichfalls empfindlich fühlbar und 
nur eine Folge der hier jahrelang geübten unsinnigen 
Araber= und Negerwirthschaft. 
Sofort nach meinem Eintreffen in Ujiji hielt ich 
täglich große Schauris ab, um Nachrichten über die 
Zustände und Verhältnisse der um den Tanganyika 
gelegenen Gebicte einzuholen. 
Numaliza ist von seinem Entschlusse, gegen den 
Kongostaat zu kämpfen, nicht abzubringen. Ver- 
mögen hat er thatsächlich keines, doch hat er viele 
Handelsverbindungen in Manjema und eine be- 
deutende Anzahl von Gewehren und Leuten. Er 
möchte am liebsten seine Geschäste abwickeln und 
nach Sansibar auswandern, doch ist er dies nicht 
im Stande zu thun wegen seiner Leute, und da 
lein Abnehmer für dieselben zu finden, der zahlungs- 
fähig wärc. In unserem Gebiete ist nichts mehr 
für die Araber und speziell für Sklavenhändler 
wie Rumaliza zu holen. Für sie war Uji 
überhaupt schon seit Jahren nur ein Lager gewesen, 
von welchem aus sie ihre Geschäfte in Manjema in 
großen Zügen leiteten. Durch die kriegerischen Er- 
eignisse am Kongo ist den Arabern der Lebensfaden 
gänzlich unterbunden worden. 
Rumaliza ist kein persönlich muthiger Mann, er 
ist vielmehr ein noch jüngerer, bleicher, zierlich ge- 
bauter, reiner Araber, von nervös-ängstlichem Naturell, 
er ist eben nur durch die Verhälltnisse gedrängt zu 
einem kühnen Hazardspiele. 
Die Araber Ujijis sind alle fest davon über- 
zeugt, daß Rumaliza niemals mehr nach Ujisi zu- 
rückzukehren gedenkt, da er gesehen hat, daß diese 
Rückzugslinie und Opergtionsbasis für ihn verloren 
ist. Noch während des Siki-Aufstandes in Tabora 
hatte er demselben auf Verwendung der Qnihara= 
Araber Verstärkungen aus Ujiji geschickt, diese wurden 
aber durch die Warambo-Krieger zufällig im Dorse 
qua Tangarara an der Grenze von Unyanjembe 
überrascht und total vernichtet, über 200 Ruga- 
Ruga Numalizas wurden getödtet. Diese Thatsache 
habe ich erst in Ujijt erfahren und die Nichtigkeit 
derselben an Ort und Stelle konstatirt. Der von 
mir zum Wali vorgeschlagene Araber Msaba bin 
Yem konnte nicht leugnen, auch einige seiner Leute
	        
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