dort gesprochen werden darf. Von hier aus über-
sieht man das tiefliegende Ujiji mit seinen Araber-
temben und seinen viereckigen und runden in dichtem
Durcheinander gebauten, grasgedeckten, lehmbeschmier-=
ten Häuschen und Hütten, dazwischen Pflanzungen
von schönen Mangobäumen, einzelnen Dattelpalmen
und Oelpalmen, Citronen und anderen Obstbäumen,
wie solche in allen Araberniederlassungen zu finden
sind, die einzigen Punkte dort, auf denen das
Auge gerne ruht. Dieser Hauptort Ujiji, auch
Kawele oder Ugori genannt, liegt tief in einer
muldenartigen, zum Strande sich verflachenden
Thalsenkung, gebildet durch große, allmählich gegen
den Tanganyika abfallende Terrainwellen, auf deren
südlichen wir uns befanden. Ujij#i liegt zur Zeit
eiwa 200 Meter vom Strande ab, doch soll vor
Jahren das Wasser noch bis an Rumalizas Tembe,
welche am weitesten gegen den Strand vorgeschoben
ist, gereicht haben. Der See bildet eine weitc, offene
Bucht mit langem, flachem, sandigem Strande, nach
Süden zu ist die Bucht durch eine weit vorspringende,
slache, etwas versumpfte Landzunge abgegrenzt, nach
Norden durch eine in cin fesiges Kap auslaufende,
baum= und buschlose, öde Hügelkette. Hinter diesem
Kop, also von Ujiji aus nicht sichtbar, in einer Ent-
fernung von 1½ Stunden, bildet sich eine schöne
tiese Einbuchtung zum Orte Kigoma und ist dies
ein guter Hasen und Ankerplatz selbst für Dampfer.
Im Nordosten sahen wir von unserem Standpunkte
aus, in ziemlicher Entfernung, Berge bis zu etwa
1000 Fuß Höhe, in diesen wohnt der Sultan der
Landschaft Usii, Rusimbi. Im Westen wurden
bei klarem Wetter die hohen Bergketten mit dem
1700 Fuß hohen Msosi-Berge der Landschaft Ugoma
im Kongostaate sichtbar.
So angenehm der erste Eindruck beim Aunblick
Uüjis auch sein mag, bei näherer Besichtigung und
Kenntniß des Platzes muß er sich in Mißfallen und
Widerwillen verwandeln, denn dieser Schmuß, dieser
verpestete, heiße, staubaufwirbelnde Wind, dies schlechte
ungesunde Wasser, diese Tausende von allenthalben
dict bei den Häusern herumliegenden Menschen-
gerippen mit ihren kahlen, weißen Schädeln und
diese Menge von halbverwesten und frisch hinge-
worfenen Kadavern spotten jeder Beschreibung. Hier
erst treten uns die Mißstände der Araberwirthschaft
und des Negerstumpfsinns so recht unverfälscht und
ugeschminkt vor die Augen. Von hundert aus
Manjema herübergebrachten Sklaven fallen in Ujiji,
lout Aussagen der Araber, mindestens achtzig durch
Fieber, Dysenterie und Pocken. Zu all diesem ekel-
erregenden Greuel kommt noch die Landplage der
Erdflöhe, die wohl nirgends so günstige Bedingungen
zu noch größerer Entwickelung findet als in dieser
großen Düngergrube „Uj##i"! Man sieht hier
Hunderte von Krüppeln ohne Fusinägel, ja selbst ohne
Zehen und mit wunden Schwären an den Füßen
in den Straßen herumliegen. Unsere sämmtlichen
Mannschaften und Träger und selbst ich hatten noch
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wochenlang nach Ujiji von diesen Insekten zu leiden.
Die Verpflegung in Ujiji ist momentan beinahe
unmöglich geworden, denn die ackerbauenden Ein-
geborenen der Landschaften um den Tanganyhika haben
sich von den Ufern weit ins Land verzogen, um sich
den Gewaltthaten der Araber oder vielmehr denen
ihrer Kulturprodukte, der „Wangwaner“, zu entziehen.
Die Landschaften von Urundi und Usige, aus welchen
ein großer Theil der Verproviantirungsartikel für
Ujiji geliefert worden war, sind zur Zeit von den
Ruga-Rugas des Rumaliza gänzlich ausgeplündert,
die Felder liegen verwüstet und unbestellt. Laut
Aussage der Araber und des Kapitäns Jacques
soll es an den Manjema-Ufern des Sees nicht besser
bestellt sein. Auch der Holzmangel in Ujij, selbst
an Brennholz, ist gleichfalls empfindlich fühlbar und
nur eine Folge der hier jahrelang geübten unsinnigen
Araber= und Negerwirthschaft.
Sofort nach meinem Eintreffen in Ujiji hielt ich
täglich große Schauris ab, um Nachrichten über die
Zustände und Verhältnisse der um den Tanganyika
gelegenen Gebicte einzuholen.
Numaliza ist von seinem Entschlusse, gegen den
Kongostaat zu kämpfen, nicht abzubringen. Ver-
mögen hat er thatsächlich keines, doch hat er viele
Handelsverbindungen in Manjema und eine be-
deutende Anzahl von Gewehren und Leuten. Er
möchte am liebsten seine Geschäste abwickeln und
nach Sansibar auswandern, doch ist er dies nicht
im Stande zu thun wegen seiner Leute, und da
lein Abnehmer für dieselben zu finden, der zahlungs-
fähig wärc. In unserem Gebiete ist nichts mehr
für die Araber und speziell für Sklavenhändler
wie Rumaliza zu holen. Für sie war Uji
überhaupt schon seit Jahren nur ein Lager gewesen,
von welchem aus sie ihre Geschäfte in Manjema in
großen Zügen leiteten. Durch die kriegerischen Er-
eignisse am Kongo ist den Arabern der Lebensfaden
gänzlich unterbunden worden.
Rumaliza ist kein persönlich muthiger Mann, er
ist vielmehr ein noch jüngerer, bleicher, zierlich ge-
bauter, reiner Araber, von nervös-ängstlichem Naturell,
er ist eben nur durch die Verhälltnisse gedrängt zu
einem kühnen Hazardspiele.
Die Araber Ujijis sind alle fest davon über-
zeugt, daß Rumaliza niemals mehr nach Ujisi zu-
rückzukehren gedenkt, da er gesehen hat, daß diese
Rückzugslinie und Opergtionsbasis für ihn verloren
ist. Noch während des Siki-Aufstandes in Tabora
hatte er demselben auf Verwendung der Qnihara=
Araber Verstärkungen aus Ujiji geschickt, diese wurden
aber durch die Warambo-Krieger zufällig im Dorse
qua Tangarara an der Grenze von Unyanjembe
überrascht und total vernichtet, über 200 Ruga-
Ruga Numalizas wurden getödtet. Diese Thatsache
habe ich erst in Ujijt erfahren und die Nichtigkeit
derselben an Ort und Stelle konstatirt. Der von
mir zum Wali vorgeschlagene Araber Msaba bin
Yem konnte nicht leugnen, auch einige seiner Leute