Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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zwei Siebentel, darunter der Küstenstrich, sind 
vegetationslos, ein Siebentel ist nur in Jahren 
guten Regenfalls zur Viehweide benutzbar. Die 
Vorbedingungen für die Viehzucht sind nach 
sachverständigem Urteil mindestens ebenso günstig 
wie die der benachbarten Kapkolonie, in einzelnen 
Teilen bedeutend günstiger. Die Kolonie hat 
denn auch in früheren Zeiten ganz bedeutende 
Bestände namentlich von Rindvieh beherbergt. 
Es wird angenommen, daß vor dem Einzug der 
Rinderpest, welche viele Bestände fast vernichtete, 
zwei Millionen Stück Rindvieh in Deutsch-Süd- 
westafrika vorhanden waren. Ein lebhafter Vieh- 
handel wurde damals mit der benachbarten Kap- 
kolonie getrieben. Heute sind diese Bestände bei 
weitem noch nicht wieder aufgefüllt, jedoch ist das 
nur eine Frage der Zeit. Inzwischen haben die 
Arbeiten deutscher Forscher das Ihrige getan, um 
die Viehzucht Südafrikas für die Zukunft auf eine 
sichere Grundlage zu stellen. Die Frage der 
Wasserversorgung, die von ußerster Wichtigkeit 
ist, ist der Lösung näher gebracht worden, indem 
geologische Untersuchungen das Vorhandensein von 
Wasser an vielen Stellen festgestellt haben. Für 
die Verhütung der Rinderpest geben die For- 
schungen von Koch, der ein Schutzserum gegen 
die pesterzeugenden Wirkungen des Stiches der 
Tsetsefliege gefunden hat, die besten Aussichten. 
Durch Versuche ist weiterhin festgestellt worden, 
daß hochwertige europäische Rinder= und Schaf- 
rassen auch in Südwestafrika gedeihen, und daß 
durch Kreuzung mit denselben eine erhebliche Ver- 
besserung des einheimischen Viehschlages erzielt 
werden kann. Nach vorsichtigen Schätzungen wird 
Deutsch-Südwestafrika unter Berücksichtigung der 
vorhandenen Weideflächen und abgesehen von den 
unsicheren Vegetationsgebieten in der Lage sein, 
drei Millionen Rinder und 20 Millionen Stück 
Kleinvieh zu ernähren. Die Bedeutung dieser 
Zahlen erhellt, wenn die entsprechenden für 
Deutschland zum Vergleich herangezogen werden. 
Nach der Zählung vom 2. Dezember 1907 gab 
es in Deutschland 20,6 Millionen Rinder, 7,7 Mil- 
lionen Schafe, 3,5 Millionen Ziegen, von ersteren 
also bedentend mehr, als Südwestafrika jemals 
wird ernähren können. Dabei ist jedoch zu be- 
rücksichtigen, daß unsere einheimische Rinderzucht 
von ganz anderen Gesichtspunkten aus betrieben 
wird, als es in einem dünn bevölkerten Kolonial-= 
gebiet der Fall sein kann. In letzterem kann 
das Hauptgewicht auf die Gewinnung von Häuten 
und von Fleisch gelegt werden. In Deutschland 
dagegen spielen die Gewinnung von Milch und 
Butter eine weitaus größere Rolle. Nach den 
Ergebnissen der Statistik über die Hausschlach- 
tungen und üÜber die Schlachtvieh= und Fleisch- 
beschau wurden im Deutschen Reich im Jahre 1907 
  
rund 3,7 Millionen Rinder, 2,7 Millionen Schafe, 
1,2 Millionen Ziegen geschlachtet — Zahlen, die 
im Vergleich zum vorhandenen Bestand, soweit 
Rinder in Frage kommen, gering erscheinen. 
Eine zweckmäßige Ausnutzung Deutsch-Süd- 
westafrikas zur Viehzucht ist im letzten Grunde 
abhängig von der Schnelligkeit, mit der die Be- 
siedlung des Landes Fortschritte macht. Es ist 
demgemäß auch nicht annähernd anzugeben, in 
welcher Zeit dies Schutzgebiet in die Reihe der 
vieherzeugenden Länder eintreten wird. Ver- 
besserung der Verkehrswege und damit verbundene 
Verbilligung der Frachten werden die Erreichung 
dieses Zieles beschleunigen und alsdann für das 
Mutterland die Möglichkeit schaffen, aus seinem 
Schutzgebiet erheblich größeren Nutzen zu ziehen als 
bisher. Bisher spielte sich z. B. der größte Teil 
des Handels Südwestafrikas in tierischen Produkten 
mit der Kapkolonie ab. Von der an anderer 
Stelle angegebenen Ausfuhr von lebendem Vieh 
aus Südwestafrika ging nach der Kapkolonie: 
1358 für 1200 Mk. 1903 für 2 337 092 Mk. 
1899 121 000 = # 1904 ? - 
3 126 240 = 1905 = 775 —- 
1901 117730 = 1006 — - 
1902 l1 022 497 
Früher ebenfalls bedeutend und erst in den 
letzten Jahren ganz erheblich gesunken ist der 
Anteil, den die Kapkolonie von aus Südwestafrika 
exportierten Straußenfedern aufnimmt: 
1898 für 8 400 Mk. 1903 für 39 199 Mk. 
1899 48 976 = 1904 - 
1900 28895 - 15905 -1 o - 
1901 31517 - 15906 - 21792 - 
1902 = 44 180 
Der Zukunft wird es vorbehalten sein, auch 
den Transport nach der Küste rentabel zu machen. 
Eigene Schlacht= und Kühlanlagen könnten alsdann 
auch südwestafrikanisches Fleisch ebenso billig für 
den Transport über See herrichten, wie es z. B. 
heute in Australien geschieht. Es sei bei dieser 
Gelegenheit erwähnt, daß im vergangenen Jahre 
in Düsseldorf die „Deutsche Farmgesellschaft A.-G.“ 
mit einem Kapital von 5 000 000 Mk. begründet 
wurde. Der Zweck der Gesellschaft ist: Einführung 
des Farmbetriebs im großen in Deutsch-Südwest- 
afrika und später die Errichtung von Fleisch- 
konservenfabriken, wenn die Viehhaltung sich in 
der Kolonie entsprechend ausgedehnt hat und die 
Biehpreise auf einen Stand heruntergegangen sind, 
der eine Verarbeitung zu Fleischkonserven ein- 
träglich erscheinen läßt. Das großzügige Unter- 
nehmen wird die wirtschaftliche Entwicklung der 
Kolonie voraussichtlich in der günstigsten Weise 
beeinflussen. Auch andere größere Farmbetriebe,
	        
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