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und verwickelter ist sein innerer Bau. Wir haben
es wohl mit einem seit uralten Zeiten nicht mehr
vom Meere überfluteten und daher zu einem
flachwelligen Hügelland abgetragenen Rumpf-
gebirge zu tun, das aber in junger geologischer
Vergangenheit von tiefgreifenden tektonischen
Störungen betroffen wurde. Die Hochfläche
wurde, einer geborstenen Glasscheibe vergleichbar,
nach den verschiedensten Richtungen hin von
Sprüngen durchsetzt, an denen sich die einzelnen
Schollen verschoben. Die Erofion des Wassers
und der Luft hat die durch tektonische Kräfte
geschaffenen Täler und Becken weiter ausgestaltet;
eine lebhafte vulkanische Tätigkeit, die, wie der
Robert-Meyer-Krater im Kamerun-Gebirge lehrt,
heute noch nicht ganz erloschen ist, hat weitere
tiefgreifende Veränderungen des Landschaftsbildes
hervorgerufen. Nicht in allen Fällen konnte ein
Zusammenhang zwischen vulkanischen Schloten
und Bruchlinien nachgewiesen werden, und auch
ein im Oberflächenbilde Kameruns deutlich her-
vortretender Graben, ein Gegenstück zu den groß-
artigen tektonischen Einsenkungen des ost= und
zentralafrikanischen Grabens, ließ sich nicht nach-
weisen. Nur die breite, offenbar auf tektonische
Kräfte zurückzuführende Furche, die sich vom Fuße
des Kamerun-Gebirges aus als Bakundusenke,
Mungotal und Tintokessel vorwärts zieht, um im
Stromgebiet des Croß in den breiten Benue-
graben überzugehen, könnte vielleicht im Verein
mit letzterem als westafrikanischer Graben zu-
sammengefaßt werden. Von den zahlreichen
Seen, die meist als Krater= oder Maarseen an
die Vulkangebiete gebunden sind, wurden acht
ausgelotet (insgesamt 1005 Lotungen) und fol-
gende größten Tiefen gefunden: Richardssce
6,2 m, Sodensee 80,9 m, Elefantensee 111 m,
die beiden Maare des Manenguba-Gebirges 92,9
und 168,2 m, Bambuluesee 58,5 m, Mauwesee
(nicht Mauwes) 52,4 m. Im großen Ndsee,
wohl dem tiefsten Wasserbecken Kameruns, einer
höchst merkwürdigen Kombination von Granitmulde
und Maar, wurde bei 208 m kein Grund erreicht.
Mit den Ablesungen der Barometer waren
vor allem an den Orten, in denen die Expedition
längere Zeit verweilte, auch meteorologische Beob-
achtungen verbunden. Namentlich die höchsten und
niedrigsten Tages= und Nachttemperaturen und die
Regenmenge wurden so oft als möglich aufgezeichnet.
Neben diesen eben kurz skizzierten Arbeiten
wurde auch eine eifrige Sammeltätigkeit ent-
faltet, um die sich besonders Herr Thorbecke
verdient gemacht hat. So wurde eine hübsche
Sammlung von Vogelbälgen und Tiersteletten
zusammengebracht und die Pflanzenwelt charak-
teristischer Landschaften, z. B. des Manenguba-
Gebirges, des Bambulue= und Mauwesee-Gebietes
usw. in ihren Hauptvertretern dem Herbarium
einverleibt. Besonders reichhaltig erscheinen die
ethnographischen Sammlungen, die namentlich im
Bakossiland, in Bafut, Bafreng und Babungo,
in Bamue, Banjo und in den interessanten Land-
schaften des Dsachng-Bezirkes angelegt wurden.
Dazu kommen viele Hunderte photographischer
Aufnahmen von geographisch, ethnographisch oder
wirtschaftlich bemerkenswerten Punkten und eine
kleine Sammlung phonographischer Aufnahmen.
Was die wirtschaftlichen Verhältnisse des durch-
reisten Gebietes anbetrifft, so ist es vor allem ein
Land der Olpalmen, die, nach Millionen zählend
und stellenweise förmliche Wälder bildend, den
hauptsächlichsten Reichtum Kameruns ausmachen
und vielleicht eine wichtigere Rolle zu spielen be-
rufen sind, als Baumwolle, Kakao und Kautschuk.
Im Urwaldstiefland ist die Hauptnährfrucht der
Eingeborenen die Plane (Banane), zu der sich
auf dem Hochland der Mais gesellt. Unabsehbare
Maisfelder riefen im Bakossiland, in Bamum
und in vielen anderen Gegenden geradezu den
Eindruck europäischer Kulturlandschaften hervor
und lassen einen ausgedehnten Maisbau, wie er
bereits seit einigen Jahren in Togo blüht, auch
für Kamerun aussichtsvoll erscheinen. Tiefer ge-
legene, sumpfige oder leicht zu bewässernde Mulden
wie die Mbo-Ebene und der Tintokessel eignen
sich, wie mehrere wohlgelungene Versuche be-
weisen, trefflich zum Reisbau, und die auf dem
Gras-Hochland schon jetzt sehr eifrig betriebene
Erdnußkultur ist noch bedeutender Erweiterung
fähig. Der Reichtum des Bansso= und Bekom-
landes an Kolanüssen, den die handelstätigen,
in ihrem ausgeprägten Geschäftssinn aber nicht
immer ganz einwandfreien Haussa seit langem
mit Gewinn ausnutzen, liefert einen der wert-
vollsten Handelsgegenstände für den Sudan.
Freilich ist die unerläßliche Voraussetzung zur
gedeihlichen Erschließung des Graslandes, daß die
in rüstigem Fortschreiten begriffene Manenguba-
Eisenbahn nicht vor den Toren dieser zukunfts-
vollen Wirtschaftsgebiete Halt macht.
Noch einer ganzen Reihe anderer Fragen,
auf die im einzelnen einzugehen hier unmöglich
ist, hat die Expedition Aufmerksamkeit geschenkt,
3. B. den verschiedenen Hausbau= und Siedlungs-
typen, der Volksverteilung, der Verbreitung der
Trommelsprache, der Frage der europäischen
Einwanderung, dem Verkehrswesen, dem Handels-
einfluß der Duala und Haussa usw. Ihre Er-
örterung ist, wie die Verarbeitung der sonstigen
Ergebnisse, einer späteren, umfangreichen Ver-
öffentlichung vorbehalten, die, wie alle Berichte
der von der „Landeskundlichen Kommission“ des
Kolonialamtes veranlaßten Expeditionen, als ein
Ergänzungsband der „NMitteilungen aus den
deutschen Schutzgebieten“ erscheinen wird.