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Deutsch-Ostafrika.
K-tliche Mission in Deutsch-Ostafrika.
I. Gesellschaft zur Beförderung der evan-
gelischen Missionen unter den Heiden
(Berlin).
Für die Njassamission ist es von höchster Be-
deutung gewesen, daß ihr Begründer, Missions-
inspektor D. Merensky, auf Grund seiner
langjährigen Tätigkeit in Südafrika sich den Ein-
geborenen von vornherein als Lehrer und Arzt
vorstellte und daß er diese Einführung durch
einige glückliche Kuren bestätigte, unter denen
besonders die Heilung eines Augenleidens des
gefürchteten alten Sangusultans Merere II. Auf-
sehen erregte. So haben sich die Farbigen des
damals noch kaum erschlossenen Gebietes von
vornherein daran gewöhnt, unsere Stationen als
die Orte anzusehen, an die sie die Kranken bringen
können.
In der Regel sind auf den Stationen ein
bis zwei Morgenstunden der Krankenfürsorge ge-
widmet. Hierzu erhalten sämtliche Missionare
vor ihrer Aussendung einen halbjährigen theore-
tisch-praktischen Unterricht durch einen Arzt und
einen Kursus in einer Berliner Unfallstation.
Auch besuchen sie die tropenhygienischen Vor-
lesungen des orientalischen Seminars. Alle Sta-
tionen sind mit kleinen Apotheken versehen (deren
Bestände jährlich nach Bedarf ergänzt werden),
außerdem jeder Missionar mit einer transportablen
Reiseapotheke und einem chirurgischen Bessteck.
Bedienung und Medizin werden den Eingeborenen
im Bedarfsfalle stets unentgeltlich gewährt. Doch
sind die Missionare angewiesen, so oft es irgend
angeht, die Eingeboreuen zu einer Gegenleistung,
meist in Früchten oder einer Arbeit bestehend,
anzuhalten. Diese heilsame pädagogische Maß-
regel schränkt nach unserer Erfahrung die Nach-
frage nach Hilfe nicht ein.
Neben diesem täglichen Samariterdienst haben
unsere Missionare die gesundheitlichen Verhältnisse
dadurch zu hoben sich bemüht, daß sie bei drohen-
den Epidemien (Pocken, Pest) die Impfung der
Eingeborenen übernahmen und in anderen Fällen
(Lepra, Geisteskrankheiten) den Bezirksämtern
Vorschläge unterbreiteten. In letzter Zeit ist von
den Missionaren der Gedanke erwogen worben,
im Bereich unserer Stationen und Außenstationen
allgemeine Pockenimpfung einzuführen.
Die eingeborene Bevölkerung würde sich, seit
die deutsche Herrschaft den ewigen Stammeskriegen
"*) Wir veröffentlichen nachstehend eine Reihe von
Berichten der in Den ch-Ostafrika tätigen evan-
gelischen Missionen über die von ihnen für das
körperliche Wohl der Eingeborenen geübte Fürsorge.
ein Ende gemacht hat, in dem fruchtbaren Lande
erheblich schneller vermehren, wenn nicht die
Säuglingssterblichkeit so überaus groß wäre,
teils infolge abergläubischer Vorstellungen und
Sitten, teils (und hierin liegt der Hauptgrund)
infolge unverständiger Wartung und Ernährung
der Säuglinge durch die Mütter. Um die
Missionarsfrauen zu befähigen, dem entgegenzu-
wirken, ist für alle Missionarsbräute ein medizi-
nischer Unterricht von uns angeordnet, welchen
der Geheime Ober-Medizinalrat Dr. Dietrich
erteilt. In der Regel ist die Folge des Kursus,
daß jede Braut für einige Monate in ein Kranken-
haus eintritt, um dort praktische Krankenpflege
zu erlernen. Die aufklärende und helfende Arbeit
der Missionarsfrauen zeigt bereits jetzt erfreuliche
Frucht. Vor kurzem hat Stabsarzt Dr. Demp-
wolff aus Iringa, der zu Pest= und Malaria=
untersuchungen auf unserer Station Ilembula
(Ubena) weilt, mit Befriedigung konstatiert, daß
der Gesundheitszustand der Eingeborenenkinder
auf der Station auffallend günstiger sei als auf
den Heidendörfern.
Vor einigen Jahren hatten wir auch einen
deutschen Arzt in unser Njassagebiet gesandt und
in Kidugala (Ubena) stationiert. Wir machten
aber die Erfahrung, daß für rein stationäre Tätig-
keit die Bevölkerung nicht dicht genug war, einer
ambulanten aber der Mangel an Wagen und
Verkehrsmitteln große Schwierigkeiten bereitete.
Auch sind nicht leicht Ärzte zu finden, welche
diesem entsagungsvollen Dienst mehr als einige
Jahre zu weihen bereit sind. Ihren vollen Wert
erhält die missionsärztliche Tätigkeit aber erst,
wenn sie nicht nur vorübergehend ausgeübt wird
und wenn der Arzt, um die Eingeborenen zu
verstehen und ihr Vertrauen zu gewinnen, sich
auch ihre Sprache aneignet. Gleichwohl werden
wir gern wieder Arzte aussenden, sobald uns
geeignete Persönlichkeiten und die erforderlichen
Mittel zur Verfügung stehen.
Wir haben inzwischen dadurch Abhilfe gesucht,
daß wir einen Missionar, der in zehnjährigem
Dienst draußen besonderes ärztliches Geschick, zu-
mal bei Bekämpfung einer Pestepidemie in Ilem-
bula (Ubena, Bezirk Iringa), gezeigt hatte, und
einen jüngeren Missionar, der vorher Apotheker
gewesen war, mit Erlaubnis von Geheimeat
Professor Dr. Gaffky im hiesigen Institut für
Infektionskrankheiten (tropenhygienische Abteilung)
eine gründliche Ausbildung und danach ein tropen-
klinischen Kursus in Hamburg unter Professor
Dr. Nocht haben nehmen lassen. Der erst-
genannte Missionar hat dann noch auf der Reise
einige Zeit im Gouvernementskrankenhause und
im Sewa-Hadji-Hospital zu Daressalam gearbeitet,
der letztgenannte bei Professor Dr. Brandt eine