Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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mit der Assimilationspolitik brechend, endlich den 
Eingeborenen unserer Arbeit eingefügt haben? 
Leider ist dieses Verfahren der Gerechtigkeit 
und Weisheit nicht allgemein angewendet, oft ist 
es selbst da, wo es ausgezeichnete Ergebnisse 
hervorgebracht hatte, törichterweise aufgegeben 
worden. Wir sind soweit gekommen, zu glauben, 
daß die Kolonien nicht für die Ansiedler und Ur- 
einwohner, sondern nur für die Beamten geschaffen 
seien. 
Wie ist die Eingeborenenpolitik anszu- 
ühren? 
Herr Clementel hat sehr richtig festgestellt, 
daß wenn die Genossenschaftspolitik allgemein und 
ohne Ausnahme unsere Beziehungen mit den 
untergebenen Völkern leiten soll, man die Mittel 
nach dem Grade der geistigen Fähigkeit und der 
Gesittung der Eingeborenen einrichten müsse. 
Gegenüber den urzuständlichen und trägen Rassen 
Afrikas kann und darf unsere Eingeborenenpolitik 
nur in einer Art „Vormundschaft“ bestehen. 
Wir müssen die Erzieher, die Anreger ihrer 
geistigen Fähigkeiten sein. Wir müssen in ihnen 
den sittlichen Sinn erwecken, sie uns durch die 
Milde näher bringen, statt sie uns durch Heftig- 
keit zu entfremden — bis zu dem Tage, wo ihre 
Mitarbeit an unserem Werke möglich geworden 
sein wird. 
Gegenüber den verständigen und gesitteten 
Rassen Indo-Chinas und Madagaskars müssen 
wir die Beschützer sein, die den Arbeiter, den 
Angestellten aus Gerechtigkeit und zu seinen 
Gunsten als „Teilhaber“ annehmen. Wir müssen 
sie, im bildlichen und wahren Sinne des Wortes, 
an unseren Mühen und Versuchen in jeder Rich- 
tung Anteil nehmen lassen. Unsere Pflicht ist, 
ihre Fähigkeiten zu erkennen und zu benutzen, 
ihre Betätigungsmittel zu achten und sie allmählich, 
ohne Verletzung nach unseren Grundsätzen mit- 
arbeiten zu lassen. Vor allem machen wir ihnen 
begreiflich, daß ihr Borteil mit dem unseren eng 
verknüpft ist. Verwirklichen wir mit allen Mitteln 
was der Marschall Niel richtig die „Fusion der 
Interessen“ nannte. Und diese Mittel finden 
sich kurz ausgedrückt in diesen drei Worten: 
Schutz, Erziehung, Teilhaberschaft. 
Durch Anweisungen an die Gouverneure un- 
serer verschiedenen Besitzungen hat Herr 
Clementel die großen Linien des Programms 
genau bestimmt. Indem wir über die verschiedenen 
Fragen, die darin behandelt sind, unsere persönliche 
Meinung ausdrücken, werden wir zugleich berufen 
sein, diese sehr wichtigen Schriftstücke, die ein 
neues Zeitalter einleiten und, nach einer treffenden 
Außerung „das wahre Regierungs= und Ver- 
waltungsgesetzbuch unserer Kolonialbeamten“ 
bilden, anzuführen und kurz wiederzugeben. 
  
Unbedingte Achtung der Eigentümlich- 
keit der Eingeborenen. Wir halten es für 
nutzlos, uns bei diesem ersten Punkte des Pro- 
gramms aufzuhalten, den uns die einfachen 
Pflichten der Menschlichkeit auferlegen; es ist 
gleichwohl gut, diesen Grundsatz von neuem zu 
bekräftigen. Grobe Fehler sind dagegen begangen 
worden; jeder von uns hat noch die Erinnerung 
an empörende Handlungen, auf die wir nicht 
zurückkommen wollen, da sie ja bestraft worden 
sind, wie sie es verdienten. Jeder unserer Be- 
amten muß sich von der unbedingten Wahrheit 
des Satzes überzeugen, daß der Eingeborene 
trotz seiner körperlichen und sittlichen Verschieden- 
heiten nicht weniger ein Mensch, eine Persönlich- 
keit, wenn nicht desselben Grades, wenigstens mit 
derselben Berechtiguug wie er selbst ist. Die 
Persönlichkeit des Eingeborenen muß also geachtet 
und verteidigt werden wie die des Europä“ers. 
Zu lange ist der Eingeborene als geistig minder- 
wertig betrachtet worden. Das ist gerade der 
Grundfehler, der dazu beigetragen hat, den Graben 
täglich mehr zu vertiefen, welcher den Ansiedler 
vom Eingeborenen trennte. „Die Kolonisation“ 
(nach dem Worte des Herrn Leugues), „die nicht 
den Zweck und das Ergebnis hätte, die Völker, 
in die sie dringt, zur Würde und Sittlichkeit zu 
erheben, würde ein grobes und rohes, eines 
großen Volkes unwürdiges Werk sein.“ 
Erhaltung und Entwicklung der Rasse. 
Das ist ebenfalls eine unserer ersten Pflichten den 
Eingeborenen gegenüber. Mit allen Mitteln müssen 
wir die beschützten Völker vor der Entartung be- 
wahren. Das Übel ist beunruhigend, voll von 
Gefahren für die Zukunft; die Zahlennachweise 
über die Geburten und die Sterblichkeit der Ein- 
geborenen sind in dieser Hinsicht lehrreich. Die 
gesundheitlichen Grundsätze, die allein den Nieder- 
gang hemmen können, sind noch nicht genügend 
verbreitet. 
Die meisten Seuchen, die jedes Jahr in 
unseren Besitzungen ausbrechen und sich mit einer 
so fürchterlichen Schnelligkeit in die benachbarten 
Gegenden verbreiten, finden ihren Ausgangspunkt 
in der Unkenntnis der Eingeborenen über die 
ersten Grundsätze der Gesundheitspflege. Die 
Frage des Gesundheitszustandes in den Kolonien 
ist übrigens auf dem Kongreß in Marseille auf- 
geworfen worden; die vorgebrachten Wünsche 
lassen sich kurz zusammenfassen: 
Fortschreitende Umgestaltung der Sitten auf 
dem Gebiet der Gesundheitslehre durch Unterricht 
und Schule, durch Anschlag, durch die Ratschläge 
der Arzte des öffentlichen Hilfsdienstes, durch das 
Beispiel, durch die Maßnahmen der öffentlichen 
Verwaltungen; 
Verbot der Verunreinigung der zur Trink-=
	        
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