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ist, wie überall hier, der scharfen Bestimmungen
wegen sehr gering. Daß viele Schmuggel-
karawanen die Vorteile des Waldes ausnutzen,
ist bei seinen Riesendimensionen und der daraus
sich ergebenden unzulänglichen Kontrolle natürlich.
Dr. v. Raven und Czekanowski waren während
dieser Zeit zur Ergänzung begonnener Arbeiten
wiederum auf Spezialreisen am Südrand des
Ruwensori bzw. Toro und Unyoro beschäftigt,
während sich Herr Kirschstein zu den Schluß-
arbeiten im Vulkangebiet des Kiwu noch eine
etwas verlängerte Arbeitszeit erbeten hatte, die
durch fortwährende Neufunde bedingt wurde.
Czekanowski fand auf seiner Tour einen Stamm
von Watwa-Leuten, die — offenbar kleiner als
dieselben Leute des Bugoiewaldes — zu den
Pygmäen zu rechnen wären, während die Bugoie-
Watwa keineswegs zu diesen zu zählen sind.
Dr. v. Raven hatte, als er sich zur Blutunter-
suchung in das Gebiet der Wasongora begab,
das Unglück, von einem angeschossenen Büffel,
dem er auf der Schweißfährte folgte, ganz un-
vorhergesehen angenommen und in die Luft ge-
worfen zu werden. Nach „Rückkehr“ auf den
Boden warf sich der wütende Büffel nochmals
auf seinen Gegner, worauf das Tier von zwei
Askari zusammengeschossen wurde. Herr v. Raven
trug, wenn auch keine gefährlichen, so doch sehr
erhebliche Verletzungen am Ellenbogen, in der
Muskulatur des Oberarmes und an der Brust
davon, die seiner ärztlichen Tätigkeit für längere
Zeit ein Ende setzen werden.
Der übrige Teil der Expedition, die Herren
Dr. Schubotz und Mildbraed, Oberleutnant
Weiß, Leutnant Wiese und ich, sowie der
belgische Leutnant Vériter, unternahmen am
18. Jannar eine Exkursion in den westlich von
Beni gelegenen Teil des Urwaldes. Oberleutmant
Weiß hatte nach umfangreichen Arbeiten im kongo-
lesisch-englisch -strittigen Gebiete genaue Routen-
aufnahmen bis hierher gemacht, eine Aufgabe,
die ihm auch jetzt wieder zufiel.
Je mehr wir in den Wald eindrangen, desto
mehr erregte die Neuheit der Flora die Auf-
merksamkeit unseres Botanikers Dr. Mildbread,
da sich keinerlei verwandtschaftliche Formen mit
der Flora bis dahin gesehener Wälder zeigten.
Formen= und Artenreichtum ist ungeheuer groß,
so daß der botanische Sammler fast in Verlegen-
heit über sein Programm geriet.
Wir sind hier im Gebiete des Okapi, das
überall im Flußgebiet des Aruwimi und Uälle
vereinzelt vorkommt; doch ist seine Erlegung ganz
außerordentlich schwer und hängt für den Euro-
päer lediglich vom Zufall ab. Es war uns durch
Vermittlung ihres Chefs, des Sultans Muera
gelungen, einige der Urbewohner des Kongo-
Urwalds, der Mombutta-Pygmäen, als Begleiter
zu erhalten, ohne deren Hilfe ein Umherstreifen
im Walde unmöglich ist, sobald man die Verkehrs-
wege nach Irumu oder Mawambi verläßt. Die
einzige Kommunikationsmöglichkeit besteht in den
sich permanent kreuzenden alten und frischen
Elefantenpfaden, wodurch einem Weißen jede
Orientierung geraubt wird.
Die Mombutta machten einen intelligenten,
netten Eindruck und nahten ohne Schen. Trotz-
dem wir nach ihrer Angabe die ersten Europäer
waren, mit denen sie in Fühlung kamen, fanden
sie sich schnell in die neue Situation. Ihr
Orientierungsvermögen ist fabelhaft. Die Färbung
ist auffallend hell und der Körperbau kräftig.
Aus gutmütigen Gesichtern schauen intelligente
Augen, die einen Rückschluß auf stark entwickelte
natürliche Sinne zulassen. Der Gesamteindruck
wird vielleicht nur durch die Breite der Nasen-
flügel etwas beeinträchtigt. Im Gegensatz zu den
Watwa im Bugoiewalde, deren Indolenz den
ruhigsten Europäer zur Verzweiflung treiben kann,
schlugen die Mombutta ohne Scheu ihre Schlaf-
stätte zwischen unseren Trägern auf, jedes Winks
zu Führerdiensten gewärtig.
Meine eigenen Messungen, die aber auf keinen
anthropologischen Wert Anspruch machen wollen,
ergaben bei einer Anzahl Vertreter dieses Pygmäen=
stammes Höhen zwischen 136 und 142em, während
nur ein Mann mit 145 cm dieses Maß überschritt.
Feste Wohnplätze kennen sie allem Anschein
nach nicht; diese werden vielmehr fortwährend
gewechselt, aber niemals nach außerhalb der
Waldzone verlegt. Sie bestehen aus Lianen-
gerüst, das mit Blätterwerk überdacht ist.
Die Kleidung besteht aus einem durch den
Spalt gezogenen, vorn und hinten herabhängen-
den Schurz aus grauem, wollartigem Rindenstoff,
der vom Supabaume, tief im Inneren des Waldes,
gewonnen wird. Bei den Frauen, die sich in
der Größe von den Männern nicht unterscheiden,
findet man als Schmuck gelegentlich durch die
Lippen gezogene, dünne Kupferringe, an denen
je eine Kaurimuschel hängt. Die Weiber starren
fast alle im „Urschmutz“ und sind von abschrecken-
der Häßlichkeit.
Die Kinder werden auf der Hüfte der Mutter
sitzend getragen und von einer, manchmal ganz
dünnen Schnur unterstützt, die über die Schulter
der Mutter läuft und manchem kleinen Wurme
durch tiefes Einschneiden in den weichsten Körper-
teil jämmerliche Tränen der Qual entlockt. Körbe
und ähnliche Lasten werden an breiten Bast-
bändern mit der Stirne getragen, während der
getragene Gegenstand über den Rücken hängt.
Die anderen Bewohner des Waldes und
seiner Grenzen sind die Wabuba, zu denen sich