Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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solchen Arbeiten heranziehen. Die Eingeborenen 
werden nur in ihrem eigenen Distrikt beschäftigt. 
Sie leben entweder zu Hause oder bei Freunden 
oder bauen sich auch wohl Grashütten in der 
Nähe ihrer Arbeit. Außerhalb der Arbeitszeit 
sind sie keinen Beschränkungen ihrer persönlichen 
Freiheit unterworfen. Wenn ein Arbeiter deser- 
tiert, so wird er von seinem Ortshäuptling zu- 
rückgebracht, und der Landeshäuptling legt ihm 
eine kleine Geldstrafe auf. Dieses System war 
schon vor der Okkupation des Landes durch die 
Engländer im Gebrauch. — 
Natal. 
In der Provinz Natal und in den nördlichen 
Distrikten, welche zu Natal gehören, sind die Ein- 
geborenen dem durch Gesetz vom Jahre 1891 
kodifizierten Eingeborenenrecht unterworfen. Ab- 
schnitt 35 dieses Gesetzes bestimmt, daß der 
„Oberste Häuptling“ (d. h. jetzt der Gouverneur, 
der u. a. den Amtstitel „Oberhäuptling aller 
Eingeborenen“ führt) absolute Gewalt hat, die 
Häuptlinge und alle Eingeborenen zur Stellung 
von Bewaffneten zur Verteidigung der Kolonie 
aufzufordern und alle Eingeborenen zur persön- 
lichen militärischen Dienstleistung zu verpflichten. 
Nach Abschnitt 36 kann der oberste Häuptling 
alle Eingeborenen zu öffentlichen Arbeiten heran- 
ziehen. Jeder Eingeborene muß seinem Befehl 
nachkommen. Das oben zitierte Gesetz ist bis jetzt 
noch nicht auf Zululand ausgedehnt worden, je- 
doch bestimmt das Gesetz 44 vom Jahre 1887, 
daß der Gouverneur Über alle Häuptlinge der 
Kolonie die Gewalt inne hat, die gemäß den 
Gesetzen, Gewohnheiten und Gebräuchen der Ein- 
geborenen ein eingeborener Oberhäuptling ausübt. 
Das Prinzip, auf dem dieses System aufgebaut 
ist, beruht auf dem Brauch der Eingeborenen- 
Nationen, wonach der oberste Häuptling das Recht 
hat, die Eingeborenen zu seinem Dienst heran- 
zuziehen und wonach diese verpflichtet sind, seinen 
Befehlen nachzukommen. Dieses Recht wird jetzt 
vom Gouverneur der Kolonie als dem obersten 
Häuptling ausgeübt, indessen nur in bezug auf 
solche Eingeborenen, die im eigentlichen Natal 
in den Lokationen leben, für deren Nutznießung 
sie keine Steuern zahlen, dann in den närdlichen 
Distrikten auf Kronländern sowie in der Provinz 
Zululand, soweit es sich nicht um Privatländereien 
handelt. 
Außer zum Bau von Straßen werden die 
Eingeborenen auch herangezogen zum Bau von 
Telegraphenlinien, als Postboten, Landwächter 
bei Viehkrankheiten sowie als Waldwächter in 
Wildreservaten. Außerdem müssen die Häuptlinge 
bewaffnete Leute zur Unterdrückung von Unord- 
nungen und Rebellionen stellen. 
  
Die zur Abbeit eingezogenen Eingeborenen 
dürfen nur im Zululand, in der Natal-Provinz 
oder in den nördlichen Distrikten, je nach ihrer 
Herkunft, verwendet werden. In der Provinz 
Natal darf nur ein Mann von je elf Hütten pro 
Jahr zur Zwangsarbeit herangezogen werden. 
Das macht von rund 232 000 Eingeborenen etwa 
5000 Arbeiter; augenblicklich sind jedoch nur 
4400 Arbeiter herangezogen. In den nördlichen 
Distrikten müssen vier Hütten auf Kronländereien 
pro Jahr einen Mann stellen, das macht 155 bei 
einer Bevölkerung von 2049; jedoch werden 
angenblicklich nur 20 bis 30 herangezogen. Im 
Zululand haben wie in Natal elf Hütten einen 
Mann pro Jahr zu stellen. Das macht 5520 
bei einer Bevölkerung von 200 682; augenblicklich 
werden jedoch nur 1300 beschäftigt. 
Die Dienstzeit, für die ein Mann zum Straßen- 
bau oder zu anderen Arbeiten herangezogen 
werden kann, ist auf sechs Monate begrenzt. 
Bis jetzt werden die Eingeborenen in Zelten 
untergebracht. In jüngster Zeit sind jedoch Schritte 
unternommen worden, um als Behausung für die 
Eingeborenen zusammenlegbare Holzhütten, die 
mit Ruberoid gedeckt sind, zu beschaffen. Eine 
sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit 
der Eingeborenen findet nicht statt; sie werden 
vielmehr in jeder Beziehung wie gewöhnliche un- 
gelernte Arbeiter behandelt. 
Die beim Straßenbau im eigentlichen Natal 
und im Zululand beschäftigten Eingeborenen er- 
halten einen Lohn von 20 sh pro Monat sowie 
die täglichen Nahrungsrationen. Die in den 
nördlichen Distrikten beschäftigten Eingeborenen 
erhalten 30 sh, Postboten erhalten 35 sh pro 
Monat, Jagdhüter 30 sh, falls sie unberitten, 
und 35 sh, falls sie beritten sind, ferner einen 
Mantel. Quarantänewächter bei Viehkrankheiten 
erhalten 30 sh sowie den Lebensunterhalt, und 
Eingeborene, die beim Telegraphenbau verwendet 
werden, 40 sh pro Monat nebst Lebensunterhalt. 
Bei vorkommenden Krankheitsfällen haben die 
Distriktsärzte die Eingeborenen zu behandeln. Die 
Eingeborenen haben dafür keine Zahlung zu 
leisten. 
Übertretungen der Eingeborenen werden gemäß 
der Arbeits= und Dienstordnung der Kolonie be- 
straft. Zum Schluß muß bemerkt werden, daß 
die Eingeborenen niemals zu Diensten für Private 
herangezogen werden können, sondern nur zu 
Diensten für die Regierung. 
Fiji-Inseln. 
Auf den Fiji-Inseln gibt es keine Eingeborenen- 
Zwangsarbeit im gewöhnlichen Sinne des Wortes. 
Unter dem seit unvordenklichen Zeiten bestehenden 
Kommunalsystem muß jedoch jeder kräftige Ein-
	        
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