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Deutsch-Ostafrika.
Die entralafrihonische Sxpebition S. 5. des Perzgogs
Adolt Friedrich Zzu Mechlenburg-Schwerin.“)
(Schluß.)
Am 20. Mai früh verließen wir Coquilhat=
ville und erreichten bald Irebu, ein großes
Truppenübungslager des Freistaates. 800 in Aus-
bildung begriffene schwarze Soldaten waren dort
vorhanden. Der Kommandant Jeauniaux
exerzierte sie und bot uns Gelegenheit, ihre an-
erkennenswerten Leistungen kennen zu lernen.
Abends hatten wir das langentbehrte Vergnügen,
in Gesellschaft einer Tame, der Madame
Jeauniaux, im Hause des Kommandanten zu
speisen.
Nun trennten uns noch vier Tagereisen von
Léopoldville, dem Endpunkt unserer Dampfer-
fahrt. Sie vergingen recht schnell, denn die
Uferszenerien wechselten jetzt häufiger. Größere
Posten liegen nicht auf dieser Strecke des Kongo,
dagegen mehrere kleinere, die für die Aufrecht-
erhaltung der telegraphischen Verbindung zu
sorgen haben. Am 23. Mai passierten wir die
Mündung des Kasai, des mächtigsten linken
Zuflusses des Kongo. Seine gewaltigen Wasser-
massen geben dem Kongo eine Strecke weit ihre
rötlichbraune Farbe. Der Strom erschließt wirt-
schaftlich höchst wertvolle Bezirke im Süden des
Staates. Gleich nach der Kasai-Mündung ver-
engert sich der vorher 7 bis 8 km breite Kongo
um mehr als die Hälfte. Er bildet hier den
sogenannten Chenal, ein sich bis zum Stanley-
Pool hin erstreckendes, in hohe Ufer ein-
geschnittenes schmales und wenig gewundenes
Flußbett. Landschaftlich ist dieser Teil des Kongo
wohl der schönste zwischen Basoko und Léopold-
ville. Die Ufer erreichen hier eine Höhe wie nie
zuvor und riefen mit ihren sanft gerundeten
Kuppen Kiwu-Erinnerungen in uns wach. Nur
das rechte Ufer ist noch bewaldet, das linke be-
deckt Baumsteppe mit zahlreichen Borassus-
Palmen.
Am Morgen des 24. kreuzten wir den
Stanley-Pool, jenes mehr als 200 Geviert-
kilometer große Becken, das die Wassermassen des
Kongo kurz vor ihrem Durchbruch durch das
westafrikanische Schiefergebirge aufnimmt. Dichter
Nebel lag auf dem Wasser und zwang uns,
stundenlang festzuliegen. Als die Sonne endlich
wieder durchbrach, leuchteten in der Ferne die
weißen Gebäude Brazzavilles vom nördlichen
und Léopoldvilles vom südlichen Gestade zu
*) Auszüge aus den Reiseberichten des
Herzoge in der Sphhhchen Rundschau: 18. „Kol.
. 1908 Nr. r. S. Nr. 9
S. 429 ff., Nr. 12 - iun und Nr. 7 1
uns herüber. Ich wollte die günstige Gelegen-
heit, die Hauptstadt einer französischen Kolonie
kennen zu lernen, nicht versäumen und hatie
deshalb schon am Tage vorher dem Gouverneur
des Congo Francais, der in Brazzaville refidiert,
unsere Ankunft angekündigt. Die Stadt liegt,
vom Flusse aus gesehen, sehr hübsch auf ziemlich
hohem, reich mit. Bäumen und Gärten be-
wachsenem Ufer. Eine saubere gewundene
Straße führt vom Flusse hinauf und zu dem
inmitten grüner Anlagen gelegenen hübschen
Gouvernementspalais, wohin uns zwei Beamte
geleiteten. Nach Vorstellung der dort versammel
ten Spitzen der Behörden traten wir einen
kurzen Rundgang zur Besichtigung des Hospitals,
der Schule, Kaserne und anderer Baulichkeiten
an, der uns einen sehr günstigen Eindruck fran-
zösischer Kolonialarbeit hinterließ. Gern hätten
wir auch noch den eigentlichen Eingeborenen= und
Handelsvierteln einen Besuch gemacht, aber die
Zeit drängte. So verließen wir nach kaum drei
Stunden bereits wieder Brazzaville und kamen
nach kurzer Fahrt über den Pool in Léopold-
ville an.
Die Bedeutung dieser Stadt als Ausgangs-
punkt der Schiffahrt auf dem oberen Kongo,
Haupthandelsplatz des Innern und Sitz einer
höheren Verwaltungsbehörde äußert sich schon
aus der Ferne durch ihre große Ausdehnung auf
dem Höhenzuge am südlichen User des Pools.
Am Kai herrschte reges Leben. Eine ganze An-
zahl Kongodampfer aller Größen hatten hier
festgemacht. Mehrere lagen zur Reparatur oder
zu Reinigungszwecken auf der Werft. Hier
werden auch die Dampfer aus den in Europa
gegossenen Eisenplatten zusammengesetzt und vom
Stapel gelassen. Unmittelbar am Kai ist der
Bahnhof, der Endpunkt der Eisenbahn Matadi
— Léopoldville, welche den Kongo an seinem
durch die Livingstone-Fälle gesperrten Teile um-
geht. Der Chef des Distrikts und der Garnison=
Kommandant kamen zu unserer Begrüßung auf
die „Flandre“ und brachten für uns dort ein-
gelaufene Briefe und Zeitungen aus Europa mit.
Der Nachmittag war teils zu einem Spaziergang
durch die Stadt, teils zum Packen unserer Koffer
bestimmt, denn in der Frühe des nächsten Tages
mußten wir die „Flandre“ verlassen, um den
Zug nach Matadi zu besteigen. Bemerkenswert
schien uns auf unserem Rundgang die große
Anzahl von Faktoreien, die hier in Léopoldville,
wie es scheint, gute Geschäfte machen. Während
unserer bisherigen Reise im Kongostaat hatten
wir den Privathandel stets vermißt. Der Staat
ist dort der einzige Handeltreibende, insofern er
die Wünsche der Eingeborenen nach Stoffen,
Perlen usw. in der Weise befriedigt, daß er