G V795 20
im Süden wird sich — auch nach Erschließung
sämtlichen Weidelands durch Wasserbohrung —
vorwiegend auf einer extensiven Weidewirtschaft
aufbauen müssen, die jedoch durch nebenhergehende
Bodenkultur auf kleineren Flächen, namentlich
durch Anbau von Futterpflanzen, wertvoll ergänzt
wird und schließlich im Interesse einer dichteren
Landesbesiedlung auf kleineren Einzelfarmflächen
als den bisher üblichen wird betrieben werden
können.
In diesen Landesteilen, nämlich in der Mitte
und im Süden, kann auf besonders geeigneten
Partien, z. B. in manchen Flußtälern und deren
Überschwemmungsgebieten, in Quellgebieten und
in dem Unterdammgelände von größeren Stau-
wehren die Bodenkultur (z. B. der Bau von
Wein, Obst, Tabak) auch als Selbstzweck in der
Form der sog. Kleinsiedlungen existieren.
Im Bezirk Grootfontein schließlich tritt der
Acker= und Gartenbau als gleichberechtigter Faktor
neben der Viehwirtschaft auf und gewährt so die
Grundlage zu einer allgemein weit dichteren Be-
siedlung, als die übrigen Landesteile vermögen.
Zu diesen Besiedlungsmöglichkeiten müssen
noch als reale Grundlagen für die Ansiedlung
natürlich noch solche Momente kommen, welche
wir als wirtschaftliche bezeichnen können und
welche je nach ihrem Zusammenwirken mit den
natürlichen Bedingungen erst die lokale Wirtschafts-
lage von Fall zu Fall bilden. Es sind dies die
Produktionsmöglichkeit, die Markt= und Verkehrs-
verhältnisse.
Innerhalb der natürlichen Weide-, Wasser-
und Bodenverhältnisse ist angesichts der geringen
Bodenpreise die Frage nach der Produktions=
möglichkeit im wesentlichen eine Frage nach den
Arbeiterverhältnissen. Was für Arbeitskräfte
sind notwendig und wie, bzw. unter welchen
Bedingungen sind sie zu erhalten?
Als Endzweck einer Siedlungskolonie, könnte
man gewissermaßen glauben, sei die völlige Ver-
drängung der eingeborenen Rasse durch die weiße
anzusehen, so daß das neue Land schließlich im
wahrsten Sinne des Worts a white mans country
wird, in dem der Weiße bis zur Stufe des Lohn-
arbeiters hinunter alle Tätigkeiten ausübt. Tat-
sächlich ist das in vielen amerikanischen Kolonien,
in Australien, Neuseeland u. a. der Fall gewesen,
wo die eingeborene Rasse nach Kontakt mit den
Weißen rasch zurückgegangen und fast aus-
gestorben ist.
Anders scheint das Problem in Südafrika zu
liegen, wo die Hottentotten wohl aussterben,
die Negerstämme dagegen sich neben der weißen
Rasse kräftig und vermehrungsfähig erhalten.
Die Frage, ob diese Eigenschaft der Neger-
rassen in Südafrika als ein günstiger Faktor be-
zeichnet werden kann, ist zur Zeit vom wirtschaft-
lichen Standpunkt aus unbedingt zu bejahen.
Denn wenn auch das Klima der weißen Hand-
arbeit recht günstig ist, so ist bei den auf
noch mangelhafte Verkehrsverhältnisse gegründeten
Lebensmittelpreisen der Tagelohn für weiße
Arbeiter doch so hoch, daß bei deren Benutzung
für gewöhnliche, kunstlose Arbeit sowohl Bergbau
wie Landwirtschaft wie schließlich auch Handwerk
und Handel in ihrer Rentabilität beeinträchtigt
werden würden. Ahnliche Gründe haben sogar
schon dazu mitgewirkt, daß in Siedlungsländer
billige farbige Arbeitskräfte (Neger, Chinesen)
von außen her importiert wurden.
Der eingeborene Arbeiter ist also zur Ent-
wicklung des Landes für jetzt jedenfalls bitter
notwendig und demgemäß herrschte alsbald nach
Wiederbezug der Farmen wie nach Eröffnung
der Tsumeb-Mine und Beginn der neuen Bahn-
bauten eine starke Nachfrage nach Eingeborenen.
Die zuverlässigsten unter diesen sind zweifellos
die Hereros und Bergdamaras. Am kräftigsten
und intelligentesten sind die Hereros; sie werden
in vielen Gegenden bei der Viehwirtschaft, nament-
aber für schwere Arbeit, beim Bergbau, Bahn-
bau, Häuserbau, entschieden bevorzugt. Bekannt-
lich ist während des Aufstandes ein großer Teil
dieses Stammes zugrunde oder außer Landes
gegangen und auch die im Lande verbliebenen
sind nur teilweise in Stellung und Arbeit.
Größere Trupps halten sich hier und da noch
in den Bergen auf und scheinen sich trotz der
durch entsandte Vertrauensleute gemachten gün-
stigen Angebote noch immer nicht recht an die
Ansiedlungen und Arbeitsstellen heranzuwagen.
Bei dem Mangel an Hereros und bei der
geringen Tauglichkeit bzw. Zuverlässigkeit der in
der Mitte und im Süden des Landes noch vor-
handenen Hottentotten werden außer den Berg-
damaras vielfach Buschleute und Ovambos zur
Arbeit herangezogen. Die Buschleute sind meist
schwächlich und schon daher weit weniger leistungs-
fähig als die Bergdamaras. Von letzterem
Stamm habe ich während meiner Tätigkeit
sowohl in der Mitte wie im Norden des
Schutzgebiets wiederholt ganz wilde Leute mit
ihren Familien durch entsandte Unterhändler
ihres Stammes aus den Bergen holen lassen
und war mit ihrer Arbeit und ihrem Eifer
Ndurchaus zufrieden. Freilich waren sie außer-
ordentlich ängstlich und scheu, was eine vorsichtige
Behandlung und eine besonders scharfe über-
wachung des Aufsichtspersonals notwendig machte.
Wie mit den Eingeborenen im allgemeinen, so
konnte ich auch mit diesen Leuten die Erfahrung