Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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im Süden wird sich — auch nach Erschließung 
sämtlichen Weidelands durch Wasserbohrung — 
vorwiegend auf einer extensiven Weidewirtschaft 
aufbauen müssen, die jedoch durch nebenhergehende 
Bodenkultur auf kleineren Flächen, namentlich 
durch Anbau von Futterpflanzen, wertvoll ergänzt 
wird und schließlich im Interesse einer dichteren 
Landesbesiedlung auf kleineren Einzelfarmflächen 
als den bisher üblichen wird betrieben werden 
können. 
In diesen Landesteilen, nämlich in der Mitte 
und im Süden, kann auf besonders geeigneten 
Partien, z. B. in manchen Flußtälern und deren 
Überschwemmungsgebieten, in Quellgebieten und 
in dem Unterdammgelände von größeren Stau- 
wehren die Bodenkultur (z. B. der Bau von 
Wein, Obst, Tabak) auch als Selbstzweck in der 
Form der sog. Kleinsiedlungen existieren. 
Im Bezirk Grootfontein schließlich tritt der 
Acker= und Gartenbau als gleichberechtigter Faktor 
neben der Viehwirtschaft auf und gewährt so die 
Grundlage zu einer allgemein weit dichteren Be- 
siedlung, als die übrigen Landesteile vermögen. 
Zu diesen Besiedlungsmöglichkeiten müssen 
noch als reale Grundlagen für die Ansiedlung 
natürlich noch solche Momente kommen, welche 
wir als wirtschaftliche bezeichnen können und 
welche je nach ihrem Zusammenwirken mit den 
natürlichen Bedingungen erst die lokale Wirtschafts- 
lage von Fall zu Fall bilden. Es sind dies die 
Produktionsmöglichkeit, die Markt= und Verkehrs- 
verhältnisse. 
Innerhalb der natürlichen Weide-, Wasser- 
und Bodenverhältnisse ist angesichts der geringen 
Bodenpreise die Frage nach der Produktions= 
möglichkeit im wesentlichen eine Frage nach den 
Arbeiterverhältnissen. Was für Arbeitskräfte 
sind notwendig und wie, bzw. unter welchen 
Bedingungen sind sie zu erhalten? 
Als Endzweck einer Siedlungskolonie, könnte 
man gewissermaßen glauben, sei die völlige Ver- 
drängung der eingeborenen Rasse durch die weiße 
anzusehen, so daß das neue Land schließlich im 
wahrsten Sinne des Worts a white mans country 
wird, in dem der Weiße bis zur Stufe des Lohn- 
arbeiters hinunter alle Tätigkeiten ausübt. Tat- 
sächlich ist das in vielen amerikanischen Kolonien, 
in Australien, Neuseeland u. a. der Fall gewesen, 
wo die eingeborene Rasse nach Kontakt mit den 
Weißen rasch zurückgegangen und fast aus- 
gestorben ist. 
Anders scheint das Problem in Südafrika zu 
liegen, wo die Hottentotten wohl aussterben, 
die Negerstämme dagegen sich neben der weißen 
Rasse kräftig und vermehrungsfähig erhalten. 
  
Die Frage, ob diese Eigenschaft der Neger- 
rassen in Südafrika als ein günstiger Faktor be- 
zeichnet werden kann, ist zur Zeit vom wirtschaft- 
lichen Standpunkt aus unbedingt zu bejahen. 
Denn wenn auch das Klima der weißen Hand- 
arbeit recht günstig ist, so ist bei den auf 
noch mangelhafte Verkehrsverhältnisse gegründeten 
Lebensmittelpreisen der Tagelohn für weiße 
Arbeiter doch so hoch, daß bei deren Benutzung 
für gewöhnliche, kunstlose Arbeit sowohl Bergbau 
wie Landwirtschaft wie schließlich auch Handwerk 
und Handel in ihrer Rentabilität beeinträchtigt 
werden würden. Ahnliche Gründe haben sogar 
schon dazu mitgewirkt, daß in Siedlungsländer 
billige farbige Arbeitskräfte (Neger, Chinesen) 
von außen her importiert wurden. 
Der eingeborene Arbeiter ist also zur Ent- 
wicklung des Landes für jetzt jedenfalls bitter 
notwendig und demgemäß herrschte alsbald nach 
Wiederbezug der Farmen wie nach Eröffnung 
der Tsumeb-Mine und Beginn der neuen Bahn- 
bauten eine starke Nachfrage nach Eingeborenen. 
Die zuverlässigsten unter diesen sind zweifellos 
die Hereros und Bergdamaras. Am kräftigsten 
und intelligentesten sind die Hereros; sie werden 
in vielen Gegenden bei der Viehwirtschaft, nament- 
aber für schwere Arbeit, beim Bergbau, Bahn- 
bau, Häuserbau, entschieden bevorzugt. Bekannt- 
lich ist während des Aufstandes ein großer Teil 
dieses Stammes zugrunde oder außer Landes 
gegangen und auch die im Lande verbliebenen 
sind nur teilweise in Stellung und Arbeit. 
Größere Trupps halten sich hier und da noch 
in den Bergen auf und scheinen sich trotz der 
durch entsandte Vertrauensleute gemachten gün- 
stigen Angebote noch immer nicht recht an die 
Ansiedlungen und Arbeitsstellen heranzuwagen. 
Bei dem Mangel an Hereros und bei der 
geringen Tauglichkeit bzw. Zuverlässigkeit der in 
der Mitte und im Süden des Landes noch vor- 
handenen Hottentotten werden außer den Berg- 
damaras vielfach Buschleute und Ovambos zur 
Arbeit herangezogen. Die Buschleute sind meist 
schwächlich und schon daher weit weniger leistungs- 
fähig als die Bergdamaras. Von letzterem 
Stamm habe ich während meiner Tätigkeit 
sowohl in der Mitte wie im Norden des 
Schutzgebiets wiederholt ganz wilde Leute mit 
ihren Familien durch entsandte Unterhändler 
ihres Stammes aus den Bergen holen lassen 
und war mit ihrer Arbeit und ihrem Eifer 
Ndurchaus zufrieden. Freilich waren sie außer- 
ordentlich ängstlich und scheu, was eine vorsichtige 
Behandlung und eine besonders scharfe über- 
wachung des Aufsichtspersonals notwendig machte. 
Wie mit den Eingeborenen im allgemeinen, so 
konnte ich auch mit diesen Leuten die Erfahrung
	        
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