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Betätigung für Versuchsanstalten verschiedener Art
treten, also mit etwa 25 bis 30 Jahren, ferner vor-
wiegend praktisch ausgebildete Landwirte als Hilfs-
organe der staatlichen Versuchsunterneh-
mungen.-“
Je nach Zweck und Ziel muß also die Ausbildung
verschieden sein. Wer schon gleich nach der Schulzeit
sich in möglichst kurzer geit für die Kolonien vor-
bereiten will, kann sich mit guten Erfolgen der be-
währten Kolonialschule in Witzenhausen be-
dienen. Der Kursus ist ein dreijähriger. Im ersten
Jahre entspricht die Tätigkeit ungefähr der eines
landwirtschaftlichen Lehrlings. Es wird dort tüchtig
in allen landwirtschaftlichen Obliegenheiten, außerdem
mit besonderer Berücksichtigung für die Kolonien auch
im Baumschulenbetrieb und in bestimmten Handwerken,
wie Tischlerei, Sattlerei, Bauhandwerk, Schmiede usw.,
gearbeitet. In den beiden weiteren Jahren treten
neben die praktische Ausbildung eine Reihe von land-
wirtschaftlichen, kolonialwirtschaftlichen hugienischen
und technischen Vorlesungen und Ubungen mit den
nötigen Grundfächern, so daß dort in der Ausbildung
für die Kolonien in drei Jahren alles Menschenmögliche
geleistet wird. Der Erfolg ist ein solcher, daß gahl-
reiche Pflanzungsgesellschaften bei Anstellung von
Pflanzungsbeamten in Witzenhausen ausgebildete Land-
wirte bevorzugen. Ein kürzerer Besuch des Lehr-
ganges von Witenhausen als zwei Jahre ohne voll-
ständigen Lehrgang der dort gehaltenen Vorlesungen
ist zwecklos. Witzenhansen ist Internat. Jeder Schüler
muß in der Anstalt wohnen und sich der strengen
Oausordnung fügen. Der Umstand, daß neben der
praktischen und wissenschaftlichen Ausbildung auch die
allgemeine Ergiehung für die Kolonien dem Charakter
nu#/sw. nach im Internat in entsprechender Weise beein-
flußt wird, bringt es mit sich, daß dort eine ganze
Angahl von Schülern mehr oder weniger freiwillig
vor Beendigung des Lehrganges ausscheiden. Diese
vorübergehenden Besucher haben dann leider wohl zu
der in manchen KPreisen ungünstigen Beurteilung
Witzenhausener Kolonialschüler geführt. Als normaler
Absolvent von Witzenhausen kann also nur derjenige
betrachtet werden, welcher mindestend zwei Jahre dort
gewesen ist und darüber ein Zeugnis der Anstalt bei-
bringt.
Für diejenigen, welche nur den zweijährigen Vor-
lesungskursus in Witzenhausen besuchen, wird mit Recht
eine vorausgehende richtige landwirtschaftliche Lehrgeit
von 1 bis 2 Jahren verlangt, in welcher der betreffende
Lehrling wohl bei den herrschenden Verhältnissen im
allgemeinen weniger zu körperlicher Arbeit wie in
Witzenhausen während des ersten Jahres herangegogen
wird, dafür aber vielleicht etwas mehr gelernt hat,
schon Arbeitern gegenüber als Vorgesetzter, wenn auch
in geringem Maße, aufzutreten und mehr in das
eigentliche praktische Leben hineinzusehen. Um diesen
letzteren Mangel Witzenhausens an Fühlung mit dem
praktischen Leben und Ausbildung als Vorgesetzter zu
ersetzen, ist es gut, nach Absolvierung des dreijährigen
Kursus in Witzenhausen sich noch in Deutschland 1 bis
2 Jahre als landwirtschaftlicher Verwalter zu be-
tätigen.
Wie soll sich nun derjenige Landwirt vorbereiten,
welcher schon eine Reihe von Jahren Verwalter oder
Inspektor gewesen ist? Nach unserer Ansicht gehört
*) Auch werden praktische Landwirte als Stations-
Assistenten eingestellt; diese müssen wegen Wahr-
nehmung polizeilicher Funktionen und als Vorgesetzte
einer Polizeitruppe Soldat gewesen sein. (Anm. d.
Red.)
dazu in den meisten Fällen ein regelrechtes land-
wirtschaftliches Studium von mindestens 4 bis
5 Semestern, denn um fremde Verhältnisse bald ver-
stehen zu lernen, muß die Bildung vielseitiger sein,
als sie nur unsere landwirtschaftliche Praris gibt.
Nur einzelne Auserlesene haben die Energie, sich ohne
wissenschaftliches Studium an einer Hochschule eine
allgemeinere Bildung im praktischen Leben anzneignen.
Wer schon in der Praxis gewesen ist mit der Absicht,
sich in den Kolonien zu betätigen, mit einer der ge-
nannten Arbeitsrichtungen vor Augen, hat vielleicn
schon in der Praxis Wirtschaften einerseits mit großerer
Viehzucht, Lesonders Wollschäfereien, oder anderseits
solche mit recht vielseitigen Pflanzenbauverhältnissen.
ausgedehntem Hackfruchtbau. möglichst auch Baumschulen,
vorziehen können. In der Studienzeit ist nun Gelegen-
heit gegeben, das spätere Ziel für Betriebe der kolo-
nialen Landwirtschaft weiter zu berücksichtigen; der
spätere koloniale Viehzüchter muß z. B. auch die bei
jeder landwirtschaftlichen Hochschule und Universitäts-
institut gebotene Gelegenheit der Ausbildung im VBe-
terinärwesen möglichst mit ausnützen. Ferner soll er
in den Ferien möglichst noch einen besonderen Woll-
kursus an einer Wollspinnerei, wie es z. B. jetzt durch
die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft bei der Woll-
wäscherei und Kämmerei in Hannover-Döhren er-
möglicht ist, mitmachen. Der zukünftige Pflanzer
sollte besonderen Wert in seinen Studien auf Boden-
kunde, Saatzucht, Obstbau und Forstwirtschaft, wie
überhaupt auf eine gute botanische Ausbildung legen,
auchmöglichst in einer Maschinenfabrik sich weiter praktisch
ausbilden. Während der Studienzeit sind besonders kolo-
nialpolitische kolonialwirtschaftliche und geographische
Vorlesungen im Anschluß an die von Landwirten all-
gemein gehörten Vorlesungen über Naturwissenschaften.
Volkswirtschaft und Landwirtschaft zu berücksichtigen.
Ferner kommen in Botracht Tropenhygienc, die jegzt
fast an jeder Universität in kurzen populären Vor-
lesungen geboten wird. Schließlich ist es wichiig,
auch möglichst — wenn schon eine bestimmte Kolonie
in Auosicht genommen ist — die Hauptsprache der
Kolonie zu lernen, besonders für Deutsch-Ostafrika
Kifuaheli, d. i. die Sprache der Wasuaheli, d. h. des
Volks der Suaheli. Selbstverständlich ist es auch,
daß derjenige, welcher überhaupt in die Welt hinaus-
gehen will, einige Sprachkenntnis des Englischen haben
muß. Die Universität Halle a. S. hat die kolonialen
Vorlesungen mit besonderer Berücksichtigung der Land-
wirtschaft zusammengefaßt als sogenannte Kolonial-
akademic. Dort wird bekanntlich studierenden Land-
wirten sehr viel durch weitgehenden Auobau des
landwirtschaftlichen Studiums und ausgedehnte Ver-
suchseinrichtungen wie Haustiergarten usw. geboten.
In sprachlicher Beziehung ist eine besondels s gule
Ausbildung durch das Seminar für orientalische
Sprachen in Berlin möglich. so daß z. B. derjenige,
welcher an der Landwirtschaftlichen HoRchschule
in Berlin studiert oder dort seinem Hauptsundium
obliegt, ohne weiteres sein sprachliches Wissen für die
Kolonien und in Hygiene, kolonialer Landeskunde usw.
am geuannten Seminar ergänzen kann. Das Ham—
burgische Kolonialinstitut in Hamburg gibt in
erster Linie eine allgemeine wisseuschaftliche Ausbildung
für die Kolonien für Beamte und Kaufleute im Laufe
von zwei Semestern. Ein so gründliches landwirt-
schaftliches Studium, wie es unsere bewährten Hoch-
schulen und Universitäten bieten, von denen wir nur
die für die Kolonien besonders viel leistenden nannten.
ist natürlich dort nicht möglich, wohl aber werden
auch lürzere kolonial-landwirtschaftliche Vorlesungen
gehalten, so daß auch dort der studierende Landwirt.