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Ob aber bezüglich hiesiger Gesellschaften und
Unternehmungen die Frage ohne weiteres mit „ja“
beantwortet werden kann, mag dahingestellt sein.
Heutigentags müßte es jeder Firma im Schutz-
gebiet gleich sein, verheiratete oder unverheiratete An-
gestellte zu beschäftigen. Eigentlich gebührte ersteren
der Vorzug, da ein Junggeselle eher anderweitig ein
Unterkommen in bezug auf Tätigkeit und Wohnung
erhalten kann als ein Mann mit Anhang. Wer bisher
von den Arbeitgebern noch nicht dieser Meinung ge-
wesen sein sollte, kann als Grund seines Verhaltens,
ausschließlich mit jungen Leuten zu arbeiten, nur die
Wohnungsverhältnisse in Betracht gezogen haben. Daß
diese sich aber seit den letzten zwei Jahren überall ge-
bessert haben, dürfte feststehen, die Unterbringung einer
Familie bietet heute also nicht mehr die gleichen
Schwierigkeiten wie früher.
Einem Angestellten hier wird meistens neben seinem
Gehalt freie Wohnung gewährt; wo dies nicht der
Fall ist, erhält er eine Mietsentschädigung. Da für
einen solchen mit Familie eine größere Wohnung er-
forderlich ist als für einen Junggesellen, der nur ein
Zimmer beansprucht, dieses unter Umständen sogar
noch mit einem Kollegen teilt, müßte bei jenem eine
Mietsentschädigung höher veranschlagt werden als bei
diesem. In Berücksichtigung dieses Umstandes könnte
bei einer Vakanz einem sich bewerbenden Unverheirateten
von seiten des Prinzipals dem Verheirateten gegenüber
der Vorzug gegeben werden, auch wenn den etwa ein-
gezogenen Erkundigungen zufolge der verheiratete Be-
werber der Tüchtigere ist.
Derartige Fälle sind tatsächlich vorgekommen.
Wäre es nun nicht an der Zeit, diese Ausicht fallen zu
lassen? Muß sich nicht jedermann sagen, daß ein Ver-
heirateter schon in Rücksicht auf seine Familie in bezug
auf Betragen im Geschäft und auch außerhalb dieses
sich mehr Zwang auferlegt als ein Junggeselle!? Es
liegt mir entschieden fern, den Junggesellen im Schutz-
gebiet eine Moralpredigt zu halten, das soll nicht der
Zweck dieser Zeilen sein. Ich möchte nur für eine
gröoßere Rücksichtnahme den Verheirateten und
denjenigen, die es werden wollen, gegenüber ein-
treten.
Daß mancher Junggeselle, falls er sich nicht schon
in vorgerückteren Jahren befindet, hier draußen ebenso
wie anderswo seine Ideale hat und diese in den meisten
Fällen in einer Ehe gipfeln, kann man annehmen.
Bäre es da nicht recht und billig von jedem Prinzipal,
seinen Angestellten zur Erlangung dieses Zieles nach
jeder Richtung hin zu unterstützen, sei es pekuntär oder
in bezug auf Wohnung?
Hat nicht schon mancher junge Mann hier draußen,
wenn er einsam auf seinem Zimmer sich befand und
sein freudloses unstetes Leben einer kurzen Kritik
unterzog, in Rücksicht auf seine verhältniomäßig guten
Einkünfte gedacht, sich eine Lebensgefährtin zu nehmen?
Mancher hat sich da nicht getraut, ein solches Ver-
langen laut werden zu lassen, kannte er doch nicht die
Ansicht seines Prinzipals und wußte nicht, wie dieser
sich dazu stellen würde. Stillschweigend hat er fernerhin
seine Arbeiten verrichtet und das Verlangen nach einem
eigenen Heim unterdrückt.
Ich wiederhole, daß ich in vorstehendem für eine
größere Rücksichtnahme den Verheirateten und solchen,
die es werden wollen, gegenüber geschrieben habe.
Das gleiche gilt ebenfalls für bereits verheiratete
Beamte und Angestellte, die ihre Familien in der
Heimat zurückgelassen haben.
Wenn ein solcher seinem Prinzipal gegenüber den
Wunsch äußert, seine Familie nachkommen zu lassen,
so sollte dieser den Antrag seines Untergebenen unter-
stützen, zumal die Wohnungsverhältnisse sich gebessert
haben. Wenn auch ein Angestellter in der Heimat bei
seiner Anstellung sich damit einverstanden erklärt hat,
während der Dauer seines Vertrages im Auslande
ohne Familie zu verweilen, so wäre das kein Grund.,
seinem Verlangen entgegenzutreten.
Wenn schulpflichtige Kinder vorhanden sind, wäre
das vielleicht ein Grund, die Familie zu Hause zu be-
lassen. Aber heute sind die Schulverhältnisse in der
Kolonie verhältnismäßig sehr gute, so daß der Grund
nicht als stichhaltig angesehen werden kann.
Daß in den letzten Jahren so viele Frauen in das
Schutzgebiet eingewandert sind und noch einwandern,
ist von jedem moralisch denkenden Menschen mit Freuden
zu begrüßen. Weiß doch ein jeder, daß es hier einem
alleinstehenden jungen Manne an geistigen Anregungen,
deren jeder normale Mensch bedarf, um psuychisch und
ethisch auf der Höhe zu bleiben, fehlt, und daß leider
nur zu hänfig zum Alkohol als Ersatzmittel gegriffen
wird. Da bietet das Familienleben die natürlichste
und beste Ablenkung.
Bei Gelegenheit einer Versammlung des Berliner
Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft Anfang
vorigen Jahres, in der ein Fräulein Marie Karow
über das Thema „Südwestafrika und die deutsche Frau“
sprach und dabei auf die Gefahr hinwies, daß der
Farmer ohne eine deutsche Frau leicht verkaffern könne,
ergriff der Staatssekretär Dernburg das Wort. Er
führte dabei u. a. aus:
„Es ist selbstverständlich, daß überall, wo die Frau
mangelt, das Gemeinwohl leidet, daß überall, wo ein
Familienleben nicht vorhanden ist, rohe und rauhe
Gewohnheiten sich nicht abstreiten lassen, und daß die
deutsche Zivilisation sich dort immer mehr abstumpft.“
In dieser Anschauung wird jeder Kenner hiesiger
Verhältnisse dem Staatssekretär recht geben. Deshalb
sollten wir alle bestrebt sein, mitzuarbeiten, einen
Wechsel herbeizuführen, indem wir das Familien= und
Gesellschaftsleben pflegen. Dadurch wird die weiße
Bevölkerung, wie es von ihr gefordert werden kann,
in puncto Moral auf der Höhe erhalten. In dieser
Richtung ist es besser geworden gegen früher, das
wollen wir an dieser Stelle freudig feststellen.
Die Bemühungen des Frauenbundes gehen
daraufhin, weiblichen Angehörigen in den Schungebieten
Ansässiger zur Einwanderung (Lehilflich zu sein. Der
Bund verdient deshalb die tatkräftige Unterstützung,
und ich hege die Hoffnung, daß sie ihm zuteil wird.
Verkehrs-Nachrichten.
Einkuhr und AKusfuhr in den bäfen von Daressalam und Tanga während der Oonate April bis Juni 1910.
Einfuhr:
Daressalam 9936
Tanga 9155
Ausfuhr: Gesamtverkehr:
903 10 839 Tonnen
1689 10 844 -