Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Ob aber bezüglich hiesiger Gesellschaften und 
Unternehmungen die Frage ohne weiteres mit „ja“ 
beantwortet werden kann, mag dahingestellt sein. 
Heutigentags müßte es jeder Firma im Schutz- 
gebiet gleich sein, verheiratete oder unverheiratete An- 
gestellte zu beschäftigen. Eigentlich gebührte ersteren 
der Vorzug, da ein Junggeselle eher anderweitig ein 
Unterkommen in bezug auf Tätigkeit und Wohnung 
erhalten kann als ein Mann mit Anhang. Wer bisher 
von den Arbeitgebern noch nicht dieser Meinung ge- 
wesen sein sollte, kann als Grund seines Verhaltens, 
ausschließlich mit jungen Leuten zu arbeiten, nur die 
Wohnungsverhältnisse in Betracht gezogen haben. Daß 
diese sich aber seit den letzten zwei Jahren überall ge- 
bessert haben, dürfte feststehen, die Unterbringung einer 
Familie bietet heute also nicht mehr die gleichen 
Schwierigkeiten wie früher. 
Einem Angestellten hier wird meistens neben seinem 
Gehalt freie Wohnung gewährt; wo dies nicht der 
Fall ist, erhält er eine Mietsentschädigung. Da für 
einen solchen mit Familie eine größere Wohnung er- 
forderlich ist als für einen Junggesellen, der nur ein 
Zimmer beansprucht, dieses unter Umständen sogar 
noch mit einem Kollegen teilt, müßte bei jenem eine 
Mietsentschädigung höher veranschlagt werden als bei 
diesem. In Berücksichtigung dieses Umstandes könnte 
bei einer Vakanz einem sich bewerbenden Unverheirateten 
von seiten des Prinzipals dem Verheirateten gegenüber 
der Vorzug gegeben werden, auch wenn den etwa ein- 
gezogenen Erkundigungen zufolge der verheiratete Be- 
werber der Tüchtigere ist. 
Derartige Fälle sind tatsächlich vorgekommen. 
Wäre es nun nicht an der Zeit, diese Ausicht fallen zu 
lassen? Muß sich nicht jedermann sagen, daß ein Ver- 
heirateter schon in Rücksicht auf seine Familie in bezug 
auf Betragen im Geschäft und auch außerhalb dieses 
sich mehr Zwang auferlegt als ein Junggeselle!? Es 
liegt mir entschieden fern, den Junggesellen im Schutz- 
gebiet eine Moralpredigt zu halten, das soll nicht der 
Zweck dieser Zeilen sein. Ich möchte nur für eine 
gröoßere Rücksichtnahme den Verheirateten und 
denjenigen, die es werden wollen, gegenüber ein- 
treten. 
Daß mancher Junggeselle, falls er sich nicht schon 
in vorgerückteren Jahren befindet, hier draußen ebenso 
wie anderswo seine Ideale hat und diese in den meisten 
Fällen in einer Ehe gipfeln, kann man annehmen. 
Bäre es da nicht recht und billig von jedem Prinzipal, 
seinen Angestellten zur Erlangung dieses Zieles nach 
jeder Richtung hin zu unterstützen, sei es pekuntär oder 
in bezug auf Wohnung? 
Hat nicht schon mancher junge Mann hier draußen, 
wenn er einsam auf seinem Zimmer sich befand und 
sein freudloses unstetes Leben einer kurzen Kritik 
unterzog, in Rücksicht auf seine verhältniomäßig guten 
Einkünfte gedacht, sich eine Lebensgefährtin zu nehmen? 
Mancher hat sich da nicht getraut, ein solches Ver- 
langen laut werden zu lassen, kannte er doch nicht die 
Ansicht seines Prinzipals und wußte nicht, wie dieser 
sich dazu stellen würde. Stillschweigend hat er fernerhin 
  
seine Arbeiten verrichtet und das Verlangen nach einem 
eigenen Heim unterdrückt. 
Ich wiederhole, daß ich in vorstehendem für eine 
größere Rücksichtnahme den Verheirateten und solchen, 
die es werden wollen, gegenüber geschrieben habe. 
Das gleiche gilt ebenfalls für bereits verheiratete 
Beamte und Angestellte, die ihre Familien in der 
Heimat zurückgelassen haben. 
Wenn ein solcher seinem Prinzipal gegenüber den 
Wunsch äußert, seine Familie nachkommen zu lassen, 
so sollte dieser den Antrag seines Untergebenen unter- 
stützen, zumal die Wohnungsverhältnisse sich gebessert 
haben. Wenn auch ein Angestellter in der Heimat bei 
seiner Anstellung sich damit einverstanden erklärt hat, 
während der Dauer seines Vertrages im Auslande 
ohne Familie zu verweilen, so wäre das kein Grund., 
seinem Verlangen entgegenzutreten. 
Wenn schulpflichtige Kinder vorhanden sind, wäre 
das vielleicht ein Grund, die Familie zu Hause zu be- 
lassen. Aber heute sind die Schulverhältnisse in der 
Kolonie verhältnismäßig sehr gute, so daß der Grund 
nicht als stichhaltig angesehen werden kann. 
Daß in den letzten Jahren so viele Frauen in das 
Schutzgebiet eingewandert sind und noch einwandern, 
ist von jedem moralisch denkenden Menschen mit Freuden 
zu begrüßen. Weiß doch ein jeder, daß es hier einem 
alleinstehenden jungen Manne an geistigen Anregungen, 
deren jeder normale Mensch bedarf, um psuychisch und 
ethisch auf der Höhe zu bleiben, fehlt, und daß leider 
nur zu hänfig zum Alkohol als Ersatzmittel gegriffen 
wird. Da bietet das Familienleben die natürlichste 
und beste Ablenkung. 
Bei Gelegenheit einer Versammlung des Berliner 
Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft Anfang 
vorigen Jahres, in der ein Fräulein Marie Karow 
über das Thema „Südwestafrika und die deutsche Frau“ 
sprach und dabei auf die Gefahr hinwies, daß der 
Farmer ohne eine deutsche Frau leicht verkaffern könne, 
ergriff der Staatssekretär Dernburg das Wort. Er 
führte dabei u. a. aus: 
„Es ist selbstverständlich, daß überall, wo die Frau 
mangelt, das Gemeinwohl leidet, daß überall, wo ein 
Familienleben nicht vorhanden ist, rohe und rauhe 
Gewohnheiten sich nicht abstreiten lassen, und daß die 
deutsche Zivilisation sich dort immer mehr abstumpft.“ 
In dieser Anschauung wird jeder Kenner hiesiger 
Verhältnisse dem Staatssekretär recht geben. Deshalb 
sollten wir alle bestrebt sein, mitzuarbeiten, einen 
Wechsel herbeizuführen, indem wir das Familien= und 
Gesellschaftsleben pflegen. Dadurch wird die weiße 
Bevölkerung, wie es von ihr gefordert werden kann, 
in puncto Moral auf der Höhe erhalten. In dieser 
Richtung ist es besser geworden gegen früher, das 
wollen wir an dieser Stelle freudig feststellen. 
Die Bemühungen des Frauenbundes gehen 
daraufhin, weiblichen Angehörigen in den Schungebieten 
Ansässiger zur Einwanderung (Lehilflich zu sein. Der 
Bund verdient deshalb die tatkräftige Unterstützung, 
und ich hege die Hoffnung, daß sie ihm zuteil wird. 
  
  
  
  
Verkehrs-Nachrichten. 
Einkuhr und AKusfuhr in den bäfen von Daressalam und Tanga während der Oonate April bis Juni 1910. 
Einfuhr: 
Daressalam 9936 
Tanga 9155 
Ausfuhr: Gesamtverkehr: 
903 10 839 Tonnen 
1689 10 844 -
	        
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