Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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wachsenen Pflanzung von Mhogo (Maniok) sich 
Palpalis noch längere Zeit gehalten hat. Die 
Beseitigung eines solchen hoch gewachsenen Maniok- 
feldes bedeutet für die Eingeborenen keinen Scha- 
den, da solcher Maniok für die Ernte bereits reif 
ist. Aus Bananenpflanzungen konnte Oberarzt 
Eckard die Palpalis schon durch Abschneiden der 
unteren abgedorrten Blätter vertreiben. Die Ein- 
geborenen werden angewiesen, in den abgeholzten 
Flußtälern möglichst viele Pflanzungen anzulegen, 
um das Wiederwachsen von Busch zu verhindern. 
Niedere Pflanzen, wie Süßkartoffeln, sind am 
günstigsten, um die Palpalis fern zu halten, aber 
selbst hoch und dicht wachsende Nutzpflanzen, wie 
Mais, gewähren der Palpalis im allgemeinen 
keinen genügenden Schutz. Die Glossinen würden 
darin auch nur kurze Zeit sich bergen können, 
da Mais in wenigen Monaten reift, nach der 
Ernte werden aber die Stengel abgeschnitten und 
abgebrannt. Die Abholzungen wurden nur von 
den Anwohnern vorgenommen, sie erhielten pro 
Monat eine Rupie Lohn, die zugehörigen Auf- 
seher und Häuptlinge mehr. Die Kosten der Ab- 
holzung eines Flusses, zu der durchschnittlich etwa 
300 Arbeiter Verwendung finden, schwanken je 
nachdem die Palpalis weiter oder weniger weit 
flußaufwärts sich findet und je nach den örtlichen 
Verhältnissen zwischen 300 und 1000 Rupie. 
Der Umstand, daß bei den Sanierungsarbeiten 
die Kulturen der Eingeborenen nicht geschädigt 
werden, sondern daß im Gegenteil durch die 
Säuberung der Ufer häufig Raum für Ausdehnung 
der Anpflanzungen gewonnen wird und daß den 
Eingeborenen kein Zwang in der Auswahl ihrer 
Kulturgewächse auferlegt zu werden braucht, er- 
leichtert die Durchführung der Abholzungen we- 
sentlich. 
Über den Umfang der im Norden des Tan- 
ganika bereits durchgeführten Abholzungen gibt 
die beigedruckte Skizze ein Bild (Skizze Nr. 4). 
Als wir von der Besichtigung der Abholzungen 
zurückkehrten, fanden wir kaum eine halbe Stunde 
vom Lager entfernt einen äußerstabgemagerten, etwa 
sechsjährigen Knaben mitten auf dem Wege schlafend 
in der Sonne liegen (Abb. 11). Im Schlafkranken- 
lager, wohin wir den Kranken brachten, erfuhren 
wir, daß beide Eltern an Schlafkrankheit gestorben 
seien und daß der Junge selbst früher schon in 
Behandlung wegen Schlafkrankheit gewesen sei. 
Der Prozentsatz der Schlafkranken ist örtlich 
sehr verschieden, er erreicht in einzelnen Fluß- 
tälern, ähnlich wie im Mtara-Wald, 60 bis 70 
Prozent der Bevölkerung. Dabei ist sehr auf- 
fallend, daß Oberarzt Eckard unter 600 in diesen 
Gegenden gefangenen Fliegen, die er mikroskopisch 
untersuchte, nur bei zwei Trypanosamen gefunden 
hat. Dieses Verhältnis entspricht etwa den von 
  
englischen Forschern in Uganda festgestellten 
Zahlen. Der Widerspruch zwischen dem hohen 
Erkrankungsprozentsatz der Bevölkerung und dem 
geringen der infizierten Fliegen bleibt vorläufig 
unerklärt. 
Bei der Besichtigung der Abholzungen war 
mir aufgefallen, daß die auf den Feldern ar- 
beitende zahlreiche Bevölkerung überall sehr 
freundlich und zutraulich grüßte, was sonst nicht 
Sitte der Warundi ist. Oberarzt Eckard sagte 
mir, daß dies nicht immer der Fall gewesen sei; 
noch jetzt komme es vor, daß in abgelegeneren 
Bergdörfern die Einwohner vor ihm flüchteten, 
und früher sei dies auch in der Nähe des Lagers 
die Regel gewesen. Als er erstmals nach Urambi 
gekommern sei, habe gerade ein Markt stattgefunden, 
und sofort bei seinem Erscheinen seien Verkäufer 
und Käufer unter Zurücklassung ihrer Habe ver- 
schwunden. Erst allmählich habe er durch Ver- 
meidung jeden Zwanges und durch die Abhaltung 
der täglichen Poliklinik das Vertrauen der Um- 
wohner gewonnen, das sich verschieden äußere. 
Manchmal kämen alte Leute zu ihm mit der 
Klage, daß sie von ihren Anverwandten wegen 
ihrer Arbeitsunfähigkeit vertrieben worden seien. 
Bei den Warundi ist es nämlich Sitte, alte, 
arbeitsunfähige Leute von Haus und Hof zu 
jagen. Noch schlimmer erging es aber den Schlaf- 
kranken, welche die Warundi im vorgeschrittenen 
Krankheitsstadium in der Wildnis aussetzten. Sie 
wurden dann häufig eine Beute von Leoparden 
und Hyänen. Und diese Tiere — selbst die von 
Natur furchtsamen Hyänen — hatten sich schon 
teilweise daran gewöhnt, lebende Menschen an- 
zufassen. Zur Zeit meiner Anwesenheit in Urambi 
war eine Frau in Behandlung, welcher eine in 
ihre Hütte eingedrungene Hyäne ein Bein zer- 
fleischt hatte. Ich habe den Eindruck gewonnen, 
daß die in den Schlafkrankenlagern am Tan- 
ganikasee tätigen Europäer nicht nur eine schwere 
Seuche mit Glück zu tilgen im Begriff sind, son- 
dern nebenbei noch unter den Warundi Kultur- 
arbeit im besten Sinne des Wortes leisten. 
Den Weg von Urambi nach dem nächsten 
Schlafkrankenlager Rumonge habe ich im Stak- 
boote zurückgelegt. Das Ufer war überall saniert, 
Flüsse waren im Bereich von Rumonge spärlicher 
vorhanden, aber noch nicht genügend abgeholzt. 
Die Gebäude des Lagers sind so unzureichend, daß 
der neue Inhaber (Stabsarzt Vorwerk) zunächst 
sich als Baumeister betätigen muß. Bei der 
Weiterfahrt mit dem Dampfer kamen die Be- 
handlungsstellen Rumangu und Kiguena in 
Sicht. Auf ersterer ist zur Zeit kein Europäer 
mehr. Zur Behandlung der schlafkranken Ein- 
geborenen kommt der in Kignena stationierte 
Sanitätsunteroffizier an den Spritztagen nach Ru-
	        
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