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wachsenen Pflanzung von Mhogo (Maniok) sich
Palpalis noch längere Zeit gehalten hat. Die
Beseitigung eines solchen hoch gewachsenen Maniok-
feldes bedeutet für die Eingeborenen keinen Scha-
den, da solcher Maniok für die Ernte bereits reif
ist. Aus Bananenpflanzungen konnte Oberarzt
Eckard die Palpalis schon durch Abschneiden der
unteren abgedorrten Blätter vertreiben. Die Ein-
geborenen werden angewiesen, in den abgeholzten
Flußtälern möglichst viele Pflanzungen anzulegen,
um das Wiederwachsen von Busch zu verhindern.
Niedere Pflanzen, wie Süßkartoffeln, sind am
günstigsten, um die Palpalis fern zu halten, aber
selbst hoch und dicht wachsende Nutzpflanzen, wie
Mais, gewähren der Palpalis im allgemeinen
keinen genügenden Schutz. Die Glossinen würden
darin auch nur kurze Zeit sich bergen können,
da Mais in wenigen Monaten reift, nach der
Ernte werden aber die Stengel abgeschnitten und
abgebrannt. Die Abholzungen wurden nur von
den Anwohnern vorgenommen, sie erhielten pro
Monat eine Rupie Lohn, die zugehörigen Auf-
seher und Häuptlinge mehr. Die Kosten der Ab-
holzung eines Flusses, zu der durchschnittlich etwa
300 Arbeiter Verwendung finden, schwanken je
nachdem die Palpalis weiter oder weniger weit
flußaufwärts sich findet und je nach den örtlichen
Verhältnissen zwischen 300 und 1000 Rupie.
Der Umstand, daß bei den Sanierungsarbeiten
die Kulturen der Eingeborenen nicht geschädigt
werden, sondern daß im Gegenteil durch die
Säuberung der Ufer häufig Raum für Ausdehnung
der Anpflanzungen gewonnen wird und daß den
Eingeborenen kein Zwang in der Auswahl ihrer
Kulturgewächse auferlegt zu werden braucht, er-
leichtert die Durchführung der Abholzungen we-
sentlich.
Über den Umfang der im Norden des Tan-
ganika bereits durchgeführten Abholzungen gibt
die beigedruckte Skizze ein Bild (Skizze Nr. 4).
Als wir von der Besichtigung der Abholzungen
zurückkehrten, fanden wir kaum eine halbe Stunde
vom Lager entfernt einen äußerstabgemagerten, etwa
sechsjährigen Knaben mitten auf dem Wege schlafend
in der Sonne liegen (Abb. 11). Im Schlafkranken-
lager, wohin wir den Kranken brachten, erfuhren
wir, daß beide Eltern an Schlafkrankheit gestorben
seien und daß der Junge selbst früher schon in
Behandlung wegen Schlafkrankheit gewesen sei.
Der Prozentsatz der Schlafkranken ist örtlich
sehr verschieden, er erreicht in einzelnen Fluß-
tälern, ähnlich wie im Mtara-Wald, 60 bis 70
Prozent der Bevölkerung. Dabei ist sehr auf-
fallend, daß Oberarzt Eckard unter 600 in diesen
Gegenden gefangenen Fliegen, die er mikroskopisch
untersuchte, nur bei zwei Trypanosamen gefunden
hat. Dieses Verhältnis entspricht etwa den von
englischen Forschern in Uganda festgestellten
Zahlen. Der Widerspruch zwischen dem hohen
Erkrankungsprozentsatz der Bevölkerung und dem
geringen der infizierten Fliegen bleibt vorläufig
unerklärt.
Bei der Besichtigung der Abholzungen war
mir aufgefallen, daß die auf den Feldern ar-
beitende zahlreiche Bevölkerung überall sehr
freundlich und zutraulich grüßte, was sonst nicht
Sitte der Warundi ist. Oberarzt Eckard sagte
mir, daß dies nicht immer der Fall gewesen sei;
noch jetzt komme es vor, daß in abgelegeneren
Bergdörfern die Einwohner vor ihm flüchteten,
und früher sei dies auch in der Nähe des Lagers
die Regel gewesen. Als er erstmals nach Urambi
gekommern sei, habe gerade ein Markt stattgefunden,
und sofort bei seinem Erscheinen seien Verkäufer
und Käufer unter Zurücklassung ihrer Habe ver-
schwunden. Erst allmählich habe er durch Ver-
meidung jeden Zwanges und durch die Abhaltung
der täglichen Poliklinik das Vertrauen der Um-
wohner gewonnen, das sich verschieden äußere.
Manchmal kämen alte Leute zu ihm mit der
Klage, daß sie von ihren Anverwandten wegen
ihrer Arbeitsunfähigkeit vertrieben worden seien.
Bei den Warundi ist es nämlich Sitte, alte,
arbeitsunfähige Leute von Haus und Hof zu
jagen. Noch schlimmer erging es aber den Schlaf-
kranken, welche die Warundi im vorgeschrittenen
Krankheitsstadium in der Wildnis aussetzten. Sie
wurden dann häufig eine Beute von Leoparden
und Hyänen. Und diese Tiere — selbst die von
Natur furchtsamen Hyänen — hatten sich schon
teilweise daran gewöhnt, lebende Menschen an-
zufassen. Zur Zeit meiner Anwesenheit in Urambi
war eine Frau in Behandlung, welcher eine in
ihre Hütte eingedrungene Hyäne ein Bein zer-
fleischt hatte. Ich habe den Eindruck gewonnen,
daß die in den Schlafkrankenlagern am Tan-
ganikasee tätigen Europäer nicht nur eine schwere
Seuche mit Glück zu tilgen im Begriff sind, son-
dern nebenbei noch unter den Warundi Kultur-
arbeit im besten Sinne des Wortes leisten.
Den Weg von Urambi nach dem nächsten
Schlafkrankenlager Rumonge habe ich im Stak-
boote zurückgelegt. Das Ufer war überall saniert,
Flüsse waren im Bereich von Rumonge spärlicher
vorhanden, aber noch nicht genügend abgeholzt.
Die Gebäude des Lagers sind so unzureichend, daß
der neue Inhaber (Stabsarzt Vorwerk) zunächst
sich als Baumeister betätigen muß. Bei der
Weiterfahrt mit dem Dampfer kamen die Be-
handlungsstellen Rumangu und Kiguena in
Sicht. Auf ersterer ist zur Zeit kein Europäer
mehr. Zur Behandlung der schlafkranken Ein-
geborenen kommt der in Kignena stationierte
Sanitätsunteroffizier an den Spritztagen nach Ru-