Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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einen Steuererheber gekommen. Alle Versuche 
des Gouvernements, den Bargeldverkehr einzu- 
führen, bleiben ergebnislos, wenn so jeder Frank 
aus dem Lande gezogen wird. Bezeichnend sind 
die Resultate der Steuererhebung in dem Terri- 
toire Luluaburg, d. h. einem Territoire, in dem 
die Kautschukbestände nahezu erschöpft, sämtliche 
Faktoreien infolge der Krise geschlossen und andere 
Exportprodukte nicht vorhanden sind. Das in 
diesem Territoire pro Jahr in Umlauf gesetzte 
Geld läßt sich etwa wie folgt berechnen: 
Für die noch vorhandenen 25 Weißen, da 
18 hiervon zur Mission gehören und diese fast 
ausschließlich in Waren bezahlt, etwa 12 000 Fr., 
für die geringe Menge aus dem Bezirk noch an 
die Nachbarfaktoreien gelieferten Kautschuks 3000 Fr., 
für Soldaten-, Arbeiter= und Personallöhne 
60000 Fr.; hierbei sind die Arbeiterlöhne in 
Mian mit 1100 Fr., die Soldatenlöhne mit 
3000 Fr., die Arbeiterlöhne der Station mit 
600 Fr. und die Personallöhne mit 300 Fr. 
monatlich angenommen. Der Betrag wird sich 
infolge der Verlegung der Kompagnie nach Luebo 
um etwa 2000 Fr. monatlich vermindern, so 
daß noch 36000 Fr. verbleiben. Für Träger- 
löhne können etwa bei 10000 im Laufe eines 
Jahres im Bezirk angeworbenen Trägern 40 000 Fr. 
Barlöhnung angenommen werden. Hierzu kommt 
die noch den Häuptlingen für gute Steuereingänge 
mit 0,25 Fr. oder bei besonders guten Leistungen 
0,40 Fr. pro Kopf und Jahr gezahlte Vergütung 
von insgesamt etwa 5000 Fr., so daß der ge- 
samte in Umlauf gesetzte Bargeldbetrag etwa 
116000 Fr. beträgt und man, wenn man nun 
noch für den Kleinhandel mit den Dampfern und 
nach Lusambo einen Betrag von 24000 Fr. an- 
nimmt, mit einem Betrage von 140000 Fr. 
rechnen kann. Von dieser Summe ist sicher ein 
erheblicher Betrag in die Taschen des Dampfer- 
personals, der farbigen Händler und schließlich 
der Faktoreien in den Orten, nach denen die 
Träger trugen oder die Marktbesucher gingen, 
geflossen. Nimmt man hierfür 50000 Fr. an, 
so verbleiben dem Bezirk noch 90000 Fr. Es 
betrugen aber die Steuereinnahmen des Terri- 
toires im Jahre 1911 26000 Fr., im Jahre 
1912 58000 Fr. und im Jahre 1913 103000 Fr.,. 
für 1914 wird eine Einnahme von 125000 Fr. 
erwartet, d. h. die Stenerpolitik der Regierung 
erschöpft nicht nur restlos den vorhandenen Geld- 
umlauf, nein, sie wird auch in kürzester Zeit die 
noch vorhandenen kleinen Reserven der Ein- 
geborenen erschöpft haben. Nicht so kraß, aber 
ähnlich liegen die Verhältnisse in den anderen 
Territoires, in denen nur die durch die großen 
Gesellschaften erschlossenen Gebiete besser dastehen. 
Nicht nur die Kaufmannschaft hat ein Interesse 
  
daran, daß die Kaufkrast der Eingeborenen nicht 
in dieser Weise ausgesogen wird, auch im ur- 
eigensten Interesse der Regierung liegt es, von 
diesem Wege abzugehen, will sie nicht in abseh- 
barer Zeit in ihrer jegliche ferneren Konsequenzen 
außer acht lassenden, nur auf eine augenblickliche 
Erhöhung der Einnahmen abzielenden Steuer- 
politik ein ähnliches Desastre erleben, wie sie es 
jetzt mit dem Kautschukraubbau erlebt hat. Ein 
indirekter Zwang zur Arbeit und zum Gelderwerb 
ist sicherlich dort zu billigen, wo es Erwerbs- 
gelegenheit gibt, er ist es nicht mehr, wo diese 
fehlt oder die aufzuwendende Arbeit ganz außer 
Verhältnis zu dem Ertrage steht, wie das jetzt 
für eine große Zahl der Kautschukgebiete der 
Fall ist. Schließlich hat die steuererhebende Re- 
gierung auch die moralische Verpflichtung zu be- 
stimmten Gegenleistungen, mögen diese nun in 
der Aufrechterhaltung des Landfriedens, in der 
Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, in dem 
Schutz gegen Krankheiten, in der Weiterbildung 
der Eingeborenen oder in der Gewährung der 
Rechtssicherheit bestehen. Alle diese Verwaltungs- 
aufgaben treten aber zur Zeit hinter der einen 
großen der Geldbeitreibung zurück, und was in 
ihnen in unserm Bezirk geleistet wird, fällt kaum 
ins Gewicht. Es bleibt daher kaum verwunder- 
lich, wenn sich eine ständig steigernde Erbitterung 
der Eingeborenen bemächtigt, die zur Zeit nur 
durch eine größere Furcht im Zaume gehalten wird. 
Die ausschließlich an der Kautschukproduktion 
interessierten Handelskreise sind natürlich Anhänger 
einer möglichst schroffen Steuerbeitreibung; hoffen 
sie doch, daß diese die Eingeborenen zu ver- 
mehrter Kautschukproduktion veranlaßt. Die 
übrigen Handelskreise sind es nicht, die Missionare 
sprachen von dem Wiederaufleben des alten Aus- 
beutesystems und eine Anzahl der objektiv ur- 
teilenden Beamten trat ihnen bei. 
Schule und Mission. 
Auf dem Gebiete des Eingeborenenschulwesens 
ist bisher seitens der Regierung nichts geschehen. 
Höchstens daß die Stationen den einen oder 
andern Soldaten in einem Handwerk ausgebildet 
haben. Vielleicht hat die völlige Vernachlässigung 
des Schulwesens auch nach Beseitigung der Kon- 
zesion der Compagnie du Kasai ihren Grund 
darin, daß die Regierung in der bisherigen 
Hauptstadt des alten Bezirks Kasai Lusambo eine 
geradezu luxuriös ausgestattete Schule für den 
enormen Betrag von 300000 Fr. errichtete und 
bisher noch keine Zeit gefunden hat, dieser so 
überaus wichtigen Frage für den neuen Bezirk 
näher zu treten. Die C. K. (Compagnie du
	        
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