Full text: Die Legimitationsprüfung der Bundesratsbevollmächtigten und der Reichtagsabgeordneten nach bisherigem Reichsstaatsrecht.

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und ersetzten sie durch eine richterliche. Schweden übertrug sie 
dem Landshöfding, d. k. dem Königlichen Statthalter der be- 
treffenden Provinz. In, Frankreich dagegen wird grade das 
Recht der Kammer zur Prüfung betont und diese hierbei sogar 
„un jury souverain“ genannt! Das französische Vorbild hat 
auch besonders auf die Verfassungen der einzelnen deutschen 
Staaten eingewirkt1t). Nur in der Verfassung von Elsaß- 
Lothringen wurde die Prüfung der Mandate zum größten 
Teile dem Verwaltungsgerichtshof, bis zu dessen Errichtung 
einem Senat des Oberlandesgerichts Colmar übertragen. 
In Deutschland und Osterreich hat sich diese Bewegung 
in der Theorie stark geltend gemacht. Ihr Führer ist vor allem 
Jellinek, der als erster in seiner 1895 veröffentlichten Schrift 
„Ein Verfassungsgerichtshof für Osterreich" die parlamen- 
tarische Wahlprüfung scharf kritisierte. Er begründet seinen 
Streitruf folgendermaßen: Er fragt, ob denn genügende Ga- 
rantieen gegen einen Machtmißbrauch des Organes vorbanden 
seien, das man herkömmlich nur als Voraussetzung uno Schutz- 
wehr der konstitutionellen Ordnung aufzufassen gewohnt sei. 
Jedes Organ, das zu verwalten und Recht zu sprechen hat, sei 
an das objektibe Recht gebunden und könne somit auch Unrecht 
begehen. Es sei daher ein wirksamer Schutz gegen das von den 
Parlamenten möglicherwelse verübte Unrecht vonnöten. Die 
Parlamente seien ungeeignet zur Legitimationsprüfung. Eine 
unparteiische Kognition über bestrittene Individualrechte könne 
nur von einer richterlich organisierten Institution erwartet 
werden2). Auch in seiner „Allgemeinen Staatslehre“ weist 
Jellinek auf die grundlegende Bedeutung dieser seiner For- 
derung hin: Der materielle Gegensatz von Gesetzgebung, Ver- 
waltung und Rechtssprechung decke sich zwar keineswegs mit 
dem formellen der Tätigkeiten der entsprechenden Organe, 
aber auf Grund der Erkenntnis des Unterschiedes der materiellen 
Funktionen sei auch ihre fortschreitende Aufteilung an die ent- 
1) Vgl. v. Cseken S. 451ff. 
2) Vgl. bierzu Leser S. 121ff. und Jellinek Spvstem S. 959.
	        
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