Kriegsvorbereitung 39
Es folgte die Revision des Prozesses zuerst in der Chambre eriminelle,
und als diese versagte, in den Chambres réunies, die dazu führte, daß
Dreyfus zunächst nach Frankreich überführt wurde. Vom August bis
September 1899 wurde dann gegen Dreyfus erneut in Rennes ver-
handelt. Dort operierten seine Gegner mit einem „Bordereau annoté
de Guillaume“ — einem „Schreiben mit Randbemerkungen des deut-
schen Kaisers“ — natürlich einer neuen Fälschung, die aber trotzdem
zur abermaligen Verurteilung von Dreyfus führte.
Erst der Kriegsminister André betrieb erneut die Revision des Pro-
zesses, die im Januar 1906, elf Jahre nach der Verurteilung, zur Frei-
sprechung führte. Dreyfus wurde dekoriert und zum Major befördert.
Er schied zwar aus der französischen Armee freiwillig aus, hat aber
im Weltkriege nochmals Dienst geleistet.
Wie der deutsche Nachrichtendienst sich in der Heimat bemühen mußte,
bei den politischen Faktoren wenigstens die allernotwendigsten Inter-
essen des Generalstabs zu wahren, so lagen die Dinge auch im Ausland.
Je mehr die Kenntnis der feindlichen Spionage die planmäßige Hin-
arbeit auf einen Krieg offenbarte, desto klarer wurde es, daß der feind-
liche Ring im Kriegsfalle Deutschland wie mit einem eisernen Vorhang
von der Außenwelt abschließen werde. Das Deutsche Reich verfügte nicht
über einen zentralen Nachrichtendienst. Somit mußte der Generalstab
eigene Wege suchen. Die andauernden politischen Krisen veranlaßten
seit 1912 mehrfach Reisen ins neutrale Ausland, um dort mit Unter-
stützung der deutschen Auslandsvertreter Verbindungen zu suchen, die
den Generalstab im Kriegsfall mit zuverlässigen Nachrichten über die
Außenwelt versehen sollten. Die Aufnahme, die ich bei den deutschen
Auslandsvertretern fand, war gesellschaftlich einwandfrei. Der ernste
Zweck meines Besuches aber schien störend zu wirken. Sachlich blieb
der Generalstab jedenfalls so gut wie ohne jede Unterstützung. Während
der Nachrichtendienst Englands, Frankreichs und Rußlands rings um
Deutschland von allen amtlichen Stellen nachdrücklich unterstützt und
gefördert wurde, blieb es dem deutschen überlassen, sich seine Ratgeber
im Ausland selbst zu suchen. Aber selbst dies wurde mir von amtlichen
Vertretern als aussichtslos bezeichnet und widerraten, um nicht Deutsche
im Ausland in Verlegenheit zu bringen, denn der Generalstab könne es
keinem Deutschen im Ausland zumuten, seine geschäftlichen Interessen