Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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welcher Veranlassung galt dies? Nach siebenjähriger Abwesenheit 
kehrte der Kurfürst — mit ihm auch der Premierminister Brühl — 
in sein Sachsenland zurück. Welch ein Wiedersehen nach einem 
so langen Zeitraume! Welch ein Bild der Verwüstung trat ihm 
namentlich in Dresden entgegen! Da galt auch — wenn auch im 
veränderten Sinne — Naemi's Wort: „Voll zog ich aus, aber leer 
hat der Herr mich wieder heimgeführt.“ 
Nun gab es Elend zu mildern, zerstörte Ortschaften wieder 
aufzubauen, Schulden zu tilgen, das herabgekommene Land wieder zu 
heben. Man zog z. B. Handwerker und Fabrikarbeiter in die Städte, 
man lieh Geld gegen geringe Zinsen aus, man errichtete Leihanstalten ꝛc. 
Das Jahr ging seinem Ende entgegen. Man schrieb den 
5. Oktober. Am Hofe erschien man an diesem Tage in Gala, denn 
es war der 30. Jahrestag, an welchem der Kurfürst zum Könige von 
Polen gewählt worden war. Vormittags wohnte der Kurfürst dem 
Gottesdienste bei. Nachmittags war große Tafel. Die Tischgäste 
überließen sich der Freude. Plötzlich — es war 3¾5 Uhr — ver- 
wandelte sich diese in Bestürzung. Der Kurfürst sank, vom Schlage 
getroffen, entseelt in seinem Sessel zusammen. Die für den 7. Oktober 
eingeleiteten Festlichkeiten zur 67. Geburtstagsfeier des Kurfürsten 
verwandelten sich in Vorbereitungen zu seiner Beisetzung, welche am 
12. Oktober in der Begräbnißgruft unter der katholischen Hofkirche 
erfolgte. 
Mit Friedrich Augusts Tode hatte Brühl seine Rolle ausgespielt. 
Er trat vom Schauplatze seiner öffentlichen Wirksamkeit zurück und 
folgte merkwürdigerweise noch in demselben Monate seinem fürstlichen 
Herrn im Tode nach. 
86. Die Hofnarren. 
In der Zeit von ungefähr 1450 bis zum Tode Friedrich August II. 
(1763) lebten an dem Hofe unserer Fürsten sogenannte Hosnarren, 
die durch ihre Späße, witzigen Einfälle, Possen und dergleichen den 
Fürsten und seinen Hofstaat belustigten. Da in dem letztgenannten 
Jahre dieses Narrenwesen, wenigstens an unserm Hofe, sein Ende 
erreichte, so muß hier zur genaueren Kenntniß jener Zeit einiges über 
dasselbe mitgetheilt werden. 
Zunächst sei bemerkt, daß nach damaligen Sitten fast an allen 
Höfen Narren gehalten wurden. Jetzt freilich finden wir diese Ein- 
richtung höchst sonderbar; allein man würde zu ganz falschen Ansichten 
gelangen, wollte man die frühere Zeit mit ihren Gebräuchen und Sitten 
nur nach unserer Anschauungsweise beurtheilen. 
Jeder Mensch fühlt das Bedürfniß, sich nach angestrengter Arbeit 
eine Erholung, eine Zerstreuung zu verschaffen. In frühester Zeit
	        
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