Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1876. (10)

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4) wer bettelt oder Kinder zum Betteln anleitet oder ausschickt, oder Per- 
sonen, welche seiner Gewalt und Aufsicht untergeben sind und zu seiner 
Hausgenossenschaft gehören, vom Betteln abzuhalten unterläßt; 
5) wer sich dem Spiel, Trunk oder Müßiggang dergestalt hingibt, daß 
er in einen Zustand geräth, in welchem zu seinem Unterhalte oder 
zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, 
durch Vermittelung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen 
werden muß, 
6) eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizei- 
lichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur 
Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffent- 
lichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, 
oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbs- 
mäßig Unzucht treibt; 
7) wer, wenn er aus öffentlichen Armenmitteln eine Unterstützung empfängt, 
sich aus Arbeitsscheu weigert, die ihm von der Behörde angewiesene, 
einen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten; 
8) wer nach Verlust seines bisherigen Unterkommens binnen der ihm 
von der zuständigen Behörde bestimmten Frist sich kein anderweitiges 
Unterkommen verschafft hat und auch nicht nachweisen kann, daß er 
solches der von ihm angewandten Bemühungen ungeachtet nicht 
vermocht habe; 
9) wer Kinder oder andere unter seiner Gewalt stehende Personen, welche 
seiner Aufsicht untergeben sind und zu seiner Hausgenossenschaft gehören, 
von der Begehung von Diebstählen, sowie von der Begehung straf- 
barer Verletzungen, der Zoll- oder Steuergesetze, oder der Gesetze zum 
Schutze der Forsten, der Feldfrüchte, der Jagd oder der Fischerei ab- 
zuhalten unterläßt. Die Vorschriften dieser Gesetze über die Haftbarkeit 
für die den Thäter treffenden Geldstrafen oder anderen Geldleistungen 
werden hierdurch nicht berührt. 
In den Fällen der Nr. 9 kann statt der Haft auf Geldstrafe 
bis zu einhundertfunfzig Mark erkannt werden.  
§. 362. 
Die nach Vorschrift des §. 361 Nr.3 bis 8 Verutheilten können zu 
Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten ünd Verhältnissen angemessen sind, innerhalb 
und, sofern sie von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden, auch 
außerhalb der Strafanstalt angehalten werden. 
Bei der Verurtheilung zur Haft kann zugleich erkannt werden, daß die 
 verurteilte Person nach verbüßter  Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen 
sei. Die Landespolizeibehörde erhält dadurch  die Befugniß, die verurtheilte Per- 
son entweder bis zu zwei Jahren in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu ge-
	        
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