Pläne Katharina's II. 121
rissen zu dem thörichten Unternehmen einer Wiederherstellung der altbour-
bonischen Zustände. Aber die Privilegien der Elsasser Reichsstände bildeten
zugleich das einzige staatsrechtliche Band, das die avulsa imperü n noch
mit dem heiligen Reiche verkettete; sie bedingungslos der Souveränität der
Pariser Nationalversammlung unterordnen hieß die letzten Ansprüche des
Reichs auf das Elsaß preisgeben; und so tief war der deutsche Staat noch
nicht gesunken, daß er das Werk Ludwig's XIV. freiwillig hätte zum Abschluß
bringen sollen — eben jetzt da Frankreich zwar in lärmenden Drohungen
sich erging, doch weder Geldmittel noch ein schlagfertiges Heer besaß.
Also zogen im Westen wie im Osten drohende Wolken herauf, und
längst stand eine große Feindin Deutschlands auf der Lauer und berechnete
die Stunde, da beide Unwetter zugleich über unserem Vaterlande sich
entladen, da der Untergang Polens und der französische Krieg, gleichzeitig
hereinbrechend, die deutschen Großmächte völlig lähmen würde. Kaiserin
Katharina trug es dem preußischen Hofe in gekränkter Seele nach, daß
König Friedrich ihre polnischen Pläne, sein Nachfolger, freilich halb wider
Willen, ihre byzantinischen Kaiserträume durchkreuzt hatte. Sie sah das
Einverständniß Preußens und Oesterreichs mit Besorgniß, fand aber rasch
das Mittel diesen Bund für Rußland unschädlich zu machen; wenn ihr
gelang die deutschen Mächte in den unabsehbaren Krieg mit Frankreich
zu verwickeln, so war sie Herrin in Polen und konnte die unausbleibliche
Vernichtung des Adelsstaates nach ihrem Sinne durchführen. Sie be-
mühte sich kaum ihre Hoffnungen zu verbergen, erklärte ihren Räthen
offen: „Ich will die Ellenbogen frei haben“ und die deutschen Höfe mit
den französischen Händeln beschäftigen. Darum eilte sie, den Türkenkrieg
zu beendigen, darum redete die Freundin Diderot's jetzt als fanatische
Gegnerin der Revolution; sie beschützte die Emigranten, mahnte die Nach-
barn unablässig an die gemeinsame Pflicht aller Souveräne, an die Wieder-
aufrichtung der alten Krone Frankreichs; sie wünschte eine Gegenrevo-
lution durch die Brüder König Ludwig's, stellte auch mit unbestimmten
Worten die Waffenhilfe Rußlands für den großen Kreuzzug des Royalis-
mus in Aussicht, da es doch in ihrer Hand lag sich nach Belieben zurück-
zuhalten. Dies Verfahren des Petersburger Hofes ergab sich so noth-
wendig aus Rußlands wohlgesicherter geographischer Stellung, daß der
preußische Minister Alvensleben, ein Mann von keineswegs ungewöhn-
lichen Gaben, die Hintergedanken der Czarin sofort durchschaute und dem
Könige die Politik seiner rastlosen Nachbarin genau voraussagte.
Weder der Kaiser noch die preußischen Staatsmänner verkannten
völlig die unberechenbaren Gefahren eines Krieges in so verworrener Lage.
Leopold's nüchterner Kaltsinn blieb lange ganz unempfindlich gegen die
hilfeflehenden Briefe seiner unglücklichen Schwester Marie Antoinette, die
sich von weiblicher Leidenschaft und gekränktem Fürstenstolze bis dicht an
die Grenzen des Landesverraths fortreißen ließ. Das preußische Cabinet