Anfang der neuen deutschen Geschichte. 5
Da endlich bricht der letzte, der entscheidende Krieg des Zeitalters
der Glaubenskämpfe über das Reich herein. Die Heimath des Protestan—
tismus wird auch sein Schlachtfeld. Sämmtliche Mächte Europas greifen
ein in den Krieg, der Auswurf aller Völker haust auf deutscher Erde.
In einer Zerstörung ohne Gleichen geht das alte Deutschland zu Grunde.
Die einst nach der Weltherrschaft getrachtet, werden durch die unbarm—
herzige Gerechtigkeit der Geschichte dem Ausland unter die Füße geworfen.
Rhein und Ems, Elbe und Weser, Oder und Weichsel, alle Zugänge zum
Meere sind „fremder Nationen Gefangene“; dazu am Oberrhein die
Vorposten der französischen Uebermacht, im Südosten die Herrschaft der
Habsburger und der Jesuiten. Zwei Drittel der Nation hat der gräuel—
volle Krieg dahingerafft; das verwilderte Geschlecht, das noch in Schmutz
und Armuth ein gedrücktes Leben führt, zeigt nichts mehr von der alten
Großheit des deutschen Charakters, nichts mehr von dem freimüthig hei—
teren Heldenthum der Väter. Der Reichthum einer uralten Gesittung,
was nur das Dasein ziert und adelt, ist verschwunden und vergessen bis
herab zu den Handwerksgeheimnissen der Zünfte. Das Volk, das einst
von Chriemhild's Rache sang und sich das Herz erhob an den heldenhaften
Klängen lutherischer Lieder, schmückt jetzt seine verarmte Sprache mit
fremden Flittern, und wer noch tief zu denken vermag, schreibt französisch
oder lateinisch. Das gesammte Leben der Nation liegt haltlos jedem
Einfluß der überlegenen Cultur des Auslandes geöffnet. Auch die Er-
innerung an die Hoheit wundervoller Jahrhunderte geht der Masse des
Volks über dem Jammer der Schwedennoth, über den kleinen Sorgen
des armseligen Tages verloren; fremd und unheimlich ragen die Zeugen
deutscher Bürgerherrlichkeit, die alten Dome in die verwandelte Welt.
Erst anderthalb Jahrhunderte darauf hat die Nation durch mühsame
gelehrte Forschung die Schätze ihrer alten Dichtung wieder aufgegraben,
erstaunend, wie reich sie einst gewesen. Kein anderes Volk ward jemals
so gewaltsam sich selber und seinem Alterthum entfremdet; sogar das
heutige Frankreich ist nicht durch eine so tiefe Kluft getrennt von den
Zeiten seines alten Königthums. —
Die grauenhafte Verwüstung schien den Untergang des deutschen
Namens anzukündigen, und sie ward der Anfang eines neuen Lebens.
In jenen Tagen des Elends, um die Zeit des Westphälischen Friedens
beginnt unsere neue Geschichte. Zwei Mächte sind es, an denen dies
versinkende Volk sich wieder aufgerichtet hat, um seitdem in Staat und
Wirthschaft, in Glauben, Kunst und Wissen sein Leben immer reicher
und voller zu gestalten: die Glaubensfreiheit und der preußische Staat.
Deutschland hatte durch die Leiden und Kämpfe der dreißig Jahre
die Zukunft des Protestantismus für den gesammten Welttheil gesichert
und zugleich den Charakter seiner eigenen Cultur unverrückbar festgestellt.
Sein äußerster Süden ragte hinein in die katholische Welt der Romanen,