Friede von Luneville. 173
hatten die geistlichen Gebiete keinen Antheil genommen. Jetzt ertrugen
sie ihr Schicksal mit stummer Ergebung; nur die niederrheinischen Pro-
vinzen Preußens bekundeten laut ihren Schmerz über die Trennung von
einem ehrenwerthen Staate. Natürlich hatte die rührige Propaganda der
Revolution während der langen Jahre der französischen Occupation nicht
ganz umsonst gearbeitet: man erlebte da und dort ein bescheidenes Nach-
spiel des Mainzer Clubistentreibens. Die Jugend berauschte sich eine
Zeit lang an der Hoffnung, ihre Heimath würde eine selbständige Tochter-
republik unter Frankreichs Schutze bilden. In Coblenz tanzten die Föde-
rirten der cisrheinischen Republik um den grünweißrothen Freiheitsbaum.
Der Kölnische Brutus Biergans bemühte sich mit treuem Fleiße, die
wüthenden Kraftworte der Marat und Desmoulins nachzuahmen: doch
die Nachbildung gerieth kaum besser als die deutsche Marseillaise, das
spießbürgerlich zahme Bundeslied der rheinischen Republikaner: „Auf, jubelt
ihr Brüder, Vernunft hat gesiegt.“ Nur der junge Joseph Görres ver-
stand die dem deutschen Wesen fremde Sprache des Fanatismus zu reden.
Mit dem ganzen Ungestüm seines phantastischen Kopfes und mit der ganzen
Unreife jener Halbbildung, die in den geistlichen Schulen der Bischofs-
lande gedieh, warf sich der ehrlich begeisterte Jüngling in den Strudel der
revolutionären Bewegung, pries in Reden und Flugschriften die Wunder
der gallischen Freiheit. Als die Räumung von Mainz über das Schicksal
der Rheinlande entschieden hatte, da hielt er dem heiligen Reiche die
Leichenrede — dem friedfertigen leidsamen Kindlein, das einst unter dem
Zeichen eines unglückschwangeren Perrückenkometen geboren wurde, jetzt
aber den General Bonaparte zum Testamentsvollzieher einsetzt — und
rief drohend: „Die Natur schuf den Rhein zur Grenze von Frankreich;
wehe dem ohnmächtigen Sterblichen, der ihre Grenzsteine verrücken und
Koth und Steinhaufen ihren scharf gezogenen Umrissen vorziehen will!“
Mit solchem Hohne nahm der begabteste Sohn des Rheinlandes von seinem
Vaterlande Abschied; solche Empfindungen hatte der Anblick des geistlichen
Regiments in dem heißen Herzen des Mannes hervorgerufen, der bald
nachher der begeisterte Apostel des Deutschthums am Rheine werden sollte!
Bei den Massen des rheinischen Volks fand das jacobinische Treiben
keinen Boden. Sie lebten dahin seufzend über die hohen Kriegslasten und
die Unsicherheit der endlosen provisorischen Zustände; sie sahen mit Un-
muth, wie die fremden Beamten das Land ausplünderten, die Denkmäler
seines Alterthums roh zerstörten, die Gebirge entwaldeten, die alten Säulen
vom Grabe Karl's des Großen nach Paris entführten. Erst nach der end-
giltig vollzogenen Einverleibung lernten sie auch die Wohlthaten der neuen
Regierung schätzen. Die französische Herrschaft wurde für die geistlichen
Gebiete des Rheinlandes, wie für Italien, die Bahnbrecherin des modernen
Staatslebens; sie schenkte ihnen die Anfänge bürgerlicher Rechtsgleichheit,
welche in Preußen und vielen seiner weltlichen Nachbarstaaten längst