230 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
letzten zwei Jahre seinen reichen Antheil und galt gleichwohl in Paris
als der Führer der antifranzösischen Partei, weil er ein Gegner von
Haugwitz war und den König wiederholt beschworen hatte, sich von
diesem homme sans foi et sans loi') zu trennen. Napoleon witterte
in Hardenberg mit feiner Spürkraft den tapferen und hochherzigen
Staatsmann, wollte sich rächen für die Verlegenheiten des vergangenen
Herbstes, überhäufte den Minister mit öffentlichen Schmähungen, die der
Angegriffene freimüthig beantwortete, und forderte endlich die Entlassung
des Verhaßten. Diesen Angriffen Napoleon's verdankte Hardenberg einen
Ruf, den seine Thaten noch nicht verdienten; alle Guten blickten hoffend
zu ihm auf, der tapfere Patriot v. d. Marwitz, der stolze Führer des
märkischen Adels, verehrte ihn „seit dem Herbst 1805 wie das Ideal des
Mannes, der den Staat retten sollte“. *) Doch erst in diesen furcht-
baren Frühlingswochen von 1806 wurde Hardenberg wirklich wofür die
Welt ihn hielt. Mit Entsetzen sah er, an welchem Abgrunde Preußen
dahinschwankte; Alles was edel und hochherzig war in dieser reichbegabten
Natur, wurde lebendig, und fortan ist er bis zum Ende der unermüdliche
Feind des napoleonischen Weltreichs geblieben.
Der letzte Trost des Grafen Haugwitz beim Abschlusse des Pariser
Vertrages war die Hoffnung auf die baldige Heimkehr der französischen
Truppen. Aber auch diese Erwartung erwies sich eitel. Die große Armee
blieb in Deutschland, bedrohte vom Inn her Oesterreichs, vom Rhein und
Main her Preußens Grenzen. Sie sollte die Hofburg zwingen, die förm-
liche Aufhebung des heiligen Reichs, welche der Imperator plante, gut zu
heißen; und zugleich war Napoleon entschlossen, den Frieden mit England
nöthigenfalls durch die Preisgabe des soeben erst an Preußen abgetretenen
hannoverischen Landes herbeizuführen. Widersetzte sich der preußische Hof
dieser neuen Beleidigung, so stand das französische Heer zum Einbruch
bereit. Indessen wurden die festen Plätze Kehl, Kastel, Wesel von Frank-
reich in Besitz genommen; die niederrheinische Festung war bestimmt einem
Angriffskriege gegen Preußen als Stützpunkt zu dienen.
Also gerüstet schritt Napoleon daran, den Gedanken der deutschen
Trias, womit Hardenberg soeben noch gespielt hatte, nach seiner Weise zu
verwirklichen. Nicht im Bunde mit Oesterreich und Preußen, sondern
unabhängig von beiden und im Gegensatze zu ihnen sollte Frankreichs
alter Schützling, la troisieme Allemagne sich politisch gestalten. Eine
phantastische Denkschrift Dalberg's, die von der Wiederherstellung des
Karolingerreichs, von der Verjüngung der ehrenwerthen deutschen Nation
redete, und eine kurze ergebnißlose Vorverhandlung mit den größeren
süddeutschen Staaten in München überzeugten den Imperator, wie schwer
es hielt diese deutschen Köpfe unter einen Hut zu bringen; darum be-
*) Hardenberg's Journal, 6. Sept. 1806.
*“) So gesteht Marwitz in einem Briefe an Hardenberg vom 11. Febr. 1811.