Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die Heidelberger Romantiker. 309 
kämpfen. Im Bewußtsein eines hohen patriotischen Berufes und mit 
dem ganzen überspannten Selbstgefühle, das der Literatur unseres neun- 
zehnten Jahrhunderts eigenthümlich blieb, schritten die jungen Dichter 
und Gelehrten an's Werk. Sie haben immer, ganz wie späterhin die 
Redner des Liberalismus und die Schriftsteller des jungen Deutschlands 
der festen Ueberzeugung gelebt, die neue Ordnung der deutschen Dinge 
sei eigentlich von ihnen geschaffen, die Staatsmänner und Soldaten hätten 
nur ausgeführt was sie selber so viel schöner und größer erdacht. Noch 
einmal kam der deutschen Literatur eine Zeit der Jugend. Wie vormals 
das Geschlecht von 1750 die Welt des Herzens entdeckt und mit naiver 
Verwunderung in ihren Schätzen gewühlt hatte, so begrüßte die neue 
Romantik mit trunkenem Entzücken jeden glücklichen Fund, der eine 
Kunde brachte von der alten Größe des Vaterlandes. Sie bestaunte das 
deutsche Alterthum mit großen verwunderten Kinderangen; durch Alles 
was sie dachte und träumte geht ein Zug historischer Pietät, ein be- 
wußter Gegensatz zu der Verstandesbildung und der Pflege der exacten 
Wissenschaften im napoleonischen Reiche. Aus der Gährung dieser ro- 
mantischen Tage stieg die große Zeit der historisch-philologischen Wissen- 
schaften hervor, welche nunmehr, die Dichtung überflügelnd, auf lange 
hinaus in den Vordergrund des geistigen Lebens traten. 
Einige Jahre lang war Heidelberg der bevorzugte Sammelplatz der 
jungen literarischen Welt. Wie schmerzlich hatte der ehrwürdige Karl 
Friedrich von Baden, alle diese bösen Jahre über, die schmähliche Lage 
der deutschen Kleinfürsten empfunden; nun konnte er doch auf seine alten 
Tage noch einmal durch eine gute That dem Vaterlande seine Liebe be- 
währen. Er stellte die unter bairischer Herrschaft ganz verfallene Heidel- 
berger Hochschule wieder her, von vornherein mit der Absicht, daß sie 
mehr sein sollte als eine Landesuniversität, eröffnete am Neckar der jungen 
Literatur eine Freistatt — die einzige fast in dem verödeten rheinbündischen 
Deutschland — und erlebte noch die Freude, daß die alte Rupertina zum 
dritten male, wie einst in den Zeiten Otto Heinrich's und Karl Ludwig's, 
mit neuen schöpferischen Gedanken in den Gang des deutschen Lebens eingriff. 
Hier in dem lieblichsten Winkel unserer rheinischen Lande stand die 
Wiege der neuen romantischen Schule. Das epheuumrankte, in den 
Blüthen der Bäume wie verschneite Schloß, die Thürme der alten Dome 
drunten in der sonnigen Ebene, die geborstenen Ritterburgen, die wie 
Schwalbennester an den Felsen hängen, Alles erinnerte hier an eine 
hochgemuthe Vorzeit, die der Sehnsucht so viel tröstlicher schien als die 
nüchterne Gegenwart. Achim Arnim und Clemens Brentano fanden sich 
hier zusammen, auch Görres, der phantastische Schweber, der es drüben 
auf dem französischen Ufer, so nahe dem Pariser Höllenschlunde nicht mehr 
ausgehalten. Die Dichter des achtzehnten Jahrhunderts hatten sich auf 
deutscher Erde überall wohlgefühlt wo sie warmherzige Freunde fanden und
	        
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