Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Erfurter Zusammenkunft. 329 
gung des spanischen Aufstandes gehen. Für die Ruhe in Deutschland 
sorgten der russische Freund und die wohlgerüsteten Rheinbundstaaten. 
Zum Abschied erließ der Imperator noch ein drohendes Schreiben an 
Kaiser Franz: daß er sich nicht unterstehe Widersetzlichkeit zu zeigen; „was 
Eure Majestät sind, das sind Sie durch meinen Willen!“ Der Czar 
dagegen war tief verstimmt und beunruhigt. Er hatte den pöbelhaften 
Uebermuth des Glückberauschten aus der Nähe beobachtet, er hatte mit 
ansehen müssen, wie Napoleon den Prinzen Wilhelm von Preußen zu 
einer Hasenjagd auf dem Jenaer Schlachtfelde einlud und in Gegen- 
wart seines russischen Freundes die Soldaten, die sich im Kriege gegen 
Rußland hervorgethan, mit dem Kreuze der Ehrenlegion schmückte. Alexan- 
der begann zu zweifeln, ob es denn nicht lächerlich sei, mit diesem Manne 
irgend etwas, und nun gar die Weltherrschaft theilen zu wollen, er fand 
keine Antwort, wenn ihm der wackere preußische Gesandte Schladen vor- 
stellte, die Besetzung der Oderlinie solle doch offenbar einen Krieg gegen 
Rußland vorbereiten. Sein Mißtrauen wuchs und wuchs. Doch erst 
mußten seine Adler in Bukarest und Jassy Wache halten; bis dahin sollte 
das widerwärtige Bündniß noch aufrecht bleiben. 
Dem Königsberger Hofe blieb jetzt keine Wahl mehr. Noch im Octo- 
ber fragte Graf Goetzen vertraulich in Wien an, ob Oesterreich sogleich 
die Waffen ergreifen wolle; es sei die höchste Zeit, daß Preußen sich er- 
kläre. Scharnhorst und seine Freunde wünschten eine Berufung der Land- 
stände, damit man noch einige Frist gewinne. Aber die Hofburg versagte 
sich, und was sollte ein Aufschub frommen, da die Franzosen noch im 
Lande standen und jede feindselige Regung sofort niederwerfen konnten? 
Der König that das Nothwendige, als er endlich schweren Herzens den 
Vertrag genehmigte. Der zögernde, behutsame Abmarsch der französischen 
Truppen zeigte von Neuem, wessen sich Napoleon von dem verhaßten 
Preußen versah; seine Kriegsgefangenen gab er erst zu Anfang 1809 frei. 
Nun war auch Stein nicht mehr zu halten; am 24. November nahm er 
seine Entlassung. Die kleine französische Partei am Hofe, der ängstliche 
alte Köckritz und die Hochconservativen athmeten auf als der kühne 
Reformer schied; doch nicht diesen innern Feinden war er erlegen, 
sondern allein dem Machtworte Napoleon's. Friedrich Wilhelm hatte das 
Aeußerste gewagt, als er den Minister noch ein Vierteljahr lang gegen die 
Drohungen des Imperators beschützte. Stein selber warf sich späterhin 
vor, daß er nicht schon früher seinen unhaltbaren Posten verlassen habe, 
und Hardenberg schrieb bitter: welche Verblendung, daß ein Mann von Geist 
glauben konnte, dieser abscheuliche Brief würde ihm je verziehen werden!) 
In einem von Schön entworfenen Abschiedsschreiben erinnerte der 
Entlassene seine Beamten noch einmal an alle die gewaltigen Neuerungen 
dieses reichen Jahres — „der unerschütterliche Pfeiler jedes Thrones, 
*) Hardenberg's Journal 6. Jan. 1809. 
 
	        
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