Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Montgelas. 359 
Beamtenthums, das noch immer ebenso nachlässig, roh und bestechlich 
war wie in der guten alten Zeit. 
Die junge Krone gefiel sich in einem lächerlichen Dünkel; man sprach 
amtlich nur von dem Reiche Baiern, und es that dem königlichen Selbst— 
gefühle keinen Abbruch, daß der Protector seine Befehle an Max Joseph 
jetzt mit einem einfachen il faut, il faut zu beginnen und zu schließen 
pflegte. Baiern sollte der glückliche Erbe der preußischen Monarchie wer— 
den, ihrer Macht, ihres Kriegsruhms, ihrer Aufklärung. Um den Glanz 
von Berlin zu überbieten wurden die Münchener Akademie und die aus 
der alten Jesuitenburg Ingolstadt nach Landshut verlegte Universität 
reichlich ausgestattet; doch was konnten die tüchtigen aus dem Norden be— 
rufenen Gelehrten hier leisten in der stockigen Luft dieses napoleonischen 
Satrapenlandes, dem der sittliche Schwung des preußischen Lebens völlig 
fehlte? Wie schwer und langsam die zarte Pflanze der Bildung in diesem 
harten Boden Wurzeln schlug, das lehrte der Mordanfall eines bairischen 
Studenten auf den Philologen Thiersch; der bigotte Bajnvare konnte den 
Anblick des norddeutschen Ketzers nicht länger ertragen. Alles alte Her— 
kommen war zerstört, Niemand fühlte sich mehr sicher im Besitze wohler— 
worbener Rechte; dabei wuchs die Noth der Finanzen von Jahr zu Jahr, 
die gewissenlose Verwaltung kannte den Betrag der Staatsschulden selbst 
nicht mehr. Und doch hat das gewaltthätige Regiment des Halbfranzosen 
Montgelas eine glücklichere Zeit für Altbaiern vorbereitet; dieser Verächter 
alles deutschen Wesens — so wenig übersieht der Mensch die letzten Wir— 
kungen seines Schaffens — führte ahnungslos den bairischen Stamm 
aus einem dreihundertjährigen Sonderleben wieder zu der Gemeinschaft 
der modernen deutschen Cultur zurück. 
Jene alte Weissagung, die dem ehrgeizigen kleinen Hause Württem— 
berg die Königskrone von Schwaben verhieß, war nun endlich in Erfül— 
lung gegangen; aber auch ein anderes Sprichwort sollte sich bewähren, 
das die Altwürttemberger mit naivem Selbstgefühle zu wiederholen pfleg— 
ten: „unsere Fürsten sind immer böse Kerle gewesen.“ Ein hochbegabter 
Mann, neben Herzog Karl August vielleicht der beste Kopf in jener Ge— 
neration deutscher Fürsten, hatte König Friedrich den Sinn für edlere 
Bildung früh in sich ertödet: alle Gelehrten waren ihm nur noch Schrei— 
ber, Schulmeister und Barbierer. Als er dann den Befehl Napoleon's 
chassez les bougres! gelehrig befolgt und seine alten Landstände aus— 
einandergejagt hatte, da kannte der Hochmuth des Selbstherrschers keine 
Schranken mehr, und er begann ein Sündenregiment, wie es der gedul— 
dige deutsche Boden noch nie gesehen. Breit und frech wie die neue 
Königskrone auf dem Dache des Stuttgarter Schlosses prunkte die Willkür 
daher; der König verbarg es nicht, daß er Tarquinius und Nero als die 
Meister der Herrscherkunst bewunderte. Zweitausend dreihundert Rescripte 
der Sacra Regia Majestas warfen den gesammten Bestand des histori—
	        
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