Hardenberg. 367
Hardenberg hatte zuerst im welfischen Staatsdienste, nachher in
Franken jahrelang eine schwierige Landesverwaltung geleitet; sobald es
ihm behagte sich um die Geschäfte zu bekümmern, fand er sich rasch auf
den entlegensten Gebieten zurecht. Er arbeitete erstaunlich leicht; seine
Entscheidungen, die er mit klaren, eleganten Schriftzügen, in gewandtem,
durchaus modernem Deutsch an den Rand der Acten schrieb, trafen immer
den Nagel auf den Kopf. Doch jene liebevolle Freude am Detail, die
den großen Verwaltungsbeamten macht, hat er sich nie angeeignet; er
gefiel sich in einem vornehmen Dilettantismus. Die laufenden Geschäfte
überließ er gern den aufgeklärten jungen Beamten, die er sich in Franken
herangezogen; die Finanzfragen behandelte er im häuslichen wie im öffent—
lichen Leben mit der Gleichgültigkeit des vornehmen Herrn. Seine Stärke
war die diplomatische Thätigkeit. Wenige verstanden wie er, mit sicherem
Blicke den rechten Augenblick abzuwarten, in der peinlichsten Lage findig
und hoffnungsvoll immer einen neuen Ausweg zu entdecken, in allen
Windungen und Wendungen einer finassirenden Politik unverrückt dasselbe
Ziel im Auge zu behalten. Selbst in diesem seinem eigensten Berufe be—
irrte ihn freilich oft ein bequemer Leichtsinn, eine gutherzige Großmuth,
die es nicht der Mühe werth hielt mit pedantischer Genauigkeit unerläß—
liche Forderungen festzuhalten. Schwer hatte er sich einst versündigt durch
sein Vertrauen auf Frankreichs Freundschaft. Jetzt durch eine grausame
Erfahrung von den alten Täuschungen gründlich geheilt, richtete er all
sein Dichten und Trachten auf den Kampf der Befreiung. Wie oft hat
er dem Grafen St. Marsan in's Gesicht gesagt, daß Preußen entschlossen
sei mit dem Degen in der Hand zu siegen oder zu fallen. Aber nur im
günstigen Augenblicke, nach genügender diplomatischer Vorbereitung durfte
der verzweifelte Krieg gewagt werden. Hardenberg war hochherzig genug,
jahrelang „eine ungeheure Verkennung“ von Seiten der Besten der Nation
schweigend zu ertragen; und, fügte er mit gerechtem Selbstgefühle hinzu,
„dazu gehört mehr Muth als um einer Batterie entgegenzugehen.“
Er war ein Preuße vom Wirbel bis zur Zehe; weit tiefer als Stein
hatte er sich mit der Staatsgesinnung seines selbstgewählten Vaterlandes
erfüllt. Auch in den Tagen seiner napoleonischen Träume blieb Preußens
Größe sein höchstes Ziel, und ohne jedes Bedenken rieth er zur Einver-
leibung seiner welfischen Heimathlande, weil sie für Preußen unentbehrlich
seien. So innig er auch sein großes Vaterland liebte, mit der idealen
Größe des deutschen Volksgeistes wollte er den Kampf gegen die harte
Wirklichkeit des napoleonischen Reichs nicht beginnen; alle phantastische
Deutschthümelei lag seiner Besonnenheit fern. Er rechnete, ruhiger als
Stein, immer nur mit diesem gegebenen preußischen Staate; nur ein
Bund dieser Monarchie mit Oesterreich, das stand ihm fest seit den
Bartensteiner Tagen, konnte das Weltreich zerschmettern.
In Braunschweig, in Franken und nachher als Cabinetsminister