416 J. 4. Der Befreiungskrieg.
mit dem Könige, bald daheim in seinem weißen Mantel am Schreibtisch
knieend. Immer wieder mahnte er, „daß man allerdings wagen muß,
daß man aber ohne dies in dieser Welt keine großen Zwecke erreichen
und ohne alles Vertrauen zum Glück von ihm nicht begünstigt werden
kann.“ Auch Boyen, der soeben mit einem verheißungsvollen Briefe
Alexander's aus Rußland heimgekehrt war, erinnerte den noch immer
zaudernden König an den kühnen politischen Frontwechsel des Großen
Kurfürsten.“) Schlag auf Schlag folgten nun die entscheidenden Befehle.
Am 3. Februar unterzeichnete der König einen Aufruf, der die jungen
Männer der eximirten Klassen aufforderte, als freiwillige Jäger in das
Heer einzutreten. Schon Tags darauf legte Scharnhorst den Operations-
plan vor für die preußisch-russische Armee. Am 9. folgte das Edict, das
für die Dauer dieses Krieges alle Befreiungen von der Wehrpflicht auf-
hob. Wenige Tage später übergab der General dem getreuen Hippel den
eigenhändig geschriebenen Entwurf des Landwehrgesetzes.
Unterdessen wurde Knesebeck aus Wien zurückgerufen; er kam mit
leeren Händen heim, und der König meinte traurig: „eine ziemlich all-
gemeine und gleiche Stimmung geht aus allen Berichten und Nachrichten
das Innere betreffend hervor; aber in Wien scheint Alles zu schlummern.““)
Diese Stimmung des Landes drängte ihn vorwärtsz; er entschloß sich, über
seine früheren Pläne hinauszugehen und den Kampf auch ohne Oesterreich
zu wagen. Doch war es nur menschlich, daß er nunmehr seine Hoff-
nungen herabstimmte. Staatsrath Ancillon, der allezeit furchtsame, hatte
schon im December vor den revolutionären Grundsätzen vieler Patrioten
gewarnt, er fürchtete namentlich Stein's „republikanische“ Gesinnung und
suchte jetzt durch eine lange Denkschrift zu erweisen: ohne den Beistand
Oesterreichs und der deutschen Staaten ließe sich schwerlich mehr erreichen
als etwa die Wiedergewinnung der Altmark und der polnischen Provinzen.
In einem schwachen Augenblicke stimmte der König dieser Meinung zu.
Sein Kleinmuth währte jedoch nicht lange. Hardenberg erklärte sich scharf
wider Ancillon und trieb den salbungsvollen Schönredner dermaßen in
die Enge, daß dieser sich halb verlegen entschuldigte: er hätte ja nur von
dem möglichen Maximum und Minimum des Kampfpreises gesprochen.“)
Genug, Ancillon's Denkschrift blieb ohne jede dauernde Wirkung. Knesebeck
wurde zum Abschluß des Kriegsbündnisses in das russische Hauptquartier
gesendet und empfing am 8. seine neuen Instructionen. Am 13. ergingen
die Weisungen nach Paris, die den offenen Bruch mit Frankreich herbei-
führen mußten; der König verlangte alsbaldige Zahlung der Hälfte seiner
Vorschüsse und einen Waffenstillstand dergestalt, daß die Franzosen hinter
die Elbe, die Russen hinter die Weichsel zurückgehen, ganz Preußen aber
*) Scharnhorst an Hardenberg, 30. Jan.; Boyen's Denkschrift, Febr. 1813.
*“) König Friedrich Wilhelm an Hardenberg, 3. Februar 1813.
* ) Ancillon an Knesebeck, 27. Dec., an Hardenberg, 9. Febr.; Denkschrift, 4. Febr. 1813.