Die deutschen Fürsten. 611
Wamboldt, Helfferich und Schies die Wiederherstellung der durch den
Reichsdeputationshauptschluß vernichteten geistlichen Staaten oder doch
mindestens die Herausgabe des geraubten Kirchengutes. Sie standen unter
dem Schutze des päpstlichen Gesandten, des gewandten, geistreichen Car-
dinals Consalvi; der Convertit Friedrich Schlegel, der Neffe Goethe's Rath
Schlosser aus Frankfurt und ein großer an guten Köpfen reicher Kreis
von Clericalen schlossen sich ihnen an. Aber auch auf dem kirchlichen
Gebiete zeigte sich die unendliche Zersplitterung des vielgestaltigen deut-
schen Lebens. Denn neben diesen Vertretern der römischen Papstkirche
erschien der Generalvicar von Constanz, Freiherr von Wessenberg, noch einer
von den milden, aufgeklärten hochadlichen Kirchenfürsten des alten Jahr-
hunderts — famosus ille Wessenbergius nannte ihn eine päpstliche Bulle.
Der hoffte auf eine deutsche Nationalkirche und dachte seinem Auftraggeber,
dem entthronten Großherzog von Frankfurt Dalberg, den Primat Ger-
maniens zu verschaffen. Dazu eine Reihe ehrenfester republikanischer
Staatsmänner aus den Hansestädten, an ihrer Spitze der wackere Smidt
von Bremen, der während des Winterfeldzugs im großen Hauptquartiere
tapfer ausgehalten und sich durch Klugheit und Zuverlässigkeit allgemeine
Achtung erworben hatte; dann Jakob Baruch aus Frankfurt als Vertreter
der deutschen Judenschaft; dann der kluge Buchhändler Cotta aus Stutt-
gart, der mit feiner Spürkraft bereits witterte, daß die Entscheidung der
deutschen Dinge in Oesterreichs Händen lag, und darum seine Allgemeine
Zeitung der Hofburg zur Verfügung stellte; und so weiter eine unend-
liche Reihe von Strebern, Horchern und Bittstellern.
Als die eigentlichen Vertreter der troisieme Allemagne, wie die
Franzosen sagten, erschienen die Häupter der Mittelstaaten. Allen diesen
Creaturen Napolcon's war das Herz geschworen von Neid wider das sieg-
reiche Preußen. Das ließ sich doch nicht ertragen, daß der Staat Fried-
rich's den Deutschen wieder ein Vaterland, wieder ein Recht zu frohem
Selbstgefühle gegeben hatte. Herunter mit dem waffengewaltigen Adler
in den allgemeinen Koth deutscher Ohnmacht, Zanksucht und Armseligkeit
— in diesem Gedanken fanden sich die Satrapen des Bonapartismus be-
haglich zusammen. Den Staat zu schwächen, der allein das Vaterland
vertheidigen konnte, schien Allen eine selbstverständliche Forderung deutscher
Freiheit. Selbst jener bürgerlichste aller Könige, der alltäglich, mit Jeder-
mann schäkernd und plaudernd, in den Straßen Wiens umherschlenderte,
jener allbekannte gemüthliche Herr, der mit seinem derblustigen Wesen bald
an einen altfranzösischen Obersten, bald an einen bairischen Bierbrauer
erinnerte, selbst König Max Joseph betrieb den Kampf gegen Preußen mit
schwerem Ernst, befahl seinem Bevollmächtigten in Gegenwart der Mon-
archen, schlechterdings nichts zu unterzeichnen, so lange der König von
Sachsen nicht wieder eingesetzt sei. Nicht anders dachte sein Sohn, der
excentrische Kronprinz Ludwig, obgleich er zum Aerger des Vaters sich zu
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