Altenstein. 233
katholischen Grundsätzen auch in ihrem inneren Leben unmittelbar leiten
und beide dem Charakter des Staates „anzupassen“ suchen. Jedoch er
handhabte sein System mit kluger Schonung, in der ehrlichen Absicht, daß
die Kirche selbst unter der wohlwollenden Vormundschaft des Staates sich
befriedigt fühlen sollte, und erreichte in der Tat, daß der kirchliche Frieden
unter schwierigen Verhältnissen zwei Jahrzehnte hindurch fast ungestört
blieb. Im Staatsrate führte Altenstein als Stellvertreter des Staats—
kanzlers den Vorsitz, und die heftigen Parteikämpfe brachten den behut—
samen Mann oft in Verlegenheit; mußte er sich entscheiden, dann nahm
er immer Partei für Hardenberg, dem er noch von Franken her eine fast
untertänige Ergebenheit bewahrte. Zudem bedurfte er einer mächtigen
Stütze, da Schuckmann die Zerteilung seines Departements nicht ver—
schmerzen konnte und sich alsbald mit den geheimen Räten Kamptz und
Schultz zur Bekämpfung des demagogenfreundlichen neuen Kultusministers
verschwor.
Als dieser in seinem Amte sich etwas umgesehen hatte, schrieb er dem
Staatskanzler: „mein ganzes Departement ist beinahe verholzt und ein-
geschrumpft, es muß wieder belebt und in Bewegung gesetzt werden.“)
Und allerdings hatte Schuckmann selbst sich um die Fragen des höheren
Unterrichts, die so weit über seinen Gesichtskreis hinauslagen, wenig be-
kümmert. Unter den Räten dagegen war der Geist Humboldts noch
nicht ausgestorben. In der Unterrichtsabteilung wirkte Humboldts Ver-
trauter, der geistvolle Süvern aus dem Teutoburger Walde, ein klassisch
gebildeter Philolog, der einst mit Schiller in Briefwechsel gestanden und
sich den Idcalismus der großen Tage von Weimar treu bewahrt hatte.
An der Spitze der geistlichen Abteilung stand der Schüler und Lands-
mann Hamanns, Nicolovius, ein bibelgläubiger kindlich frommer Protestant.
Er lebte in dem Gedanken der Einheit des Christentums und verstand,
dank seinem freundschaftlichen Verkehre mit dem Kreise der Fürstin Galitzin,
auch die sittlichen Kräfte der katholischen Kirche gerecht zu würdigen. Viele
Jahre lang mit Goethe befreundet folgte er dem literarischen Schaffen
der Zeit mit freudiger Empfänglichkeit; für die politische Reform war er
selbst in Königsberg unter Steins Leitung tätig gewesen. Allen Geist-
lichen im Lande blieben die schönen Worte in guter Erinnerung, mit denen
er beim Beginne des Befreiungskrieges die christlichen Seelsorger an ihre
vaterländische Pflicht gemahnt hatte.
Bei seinem Eintritt fand Altenstein eine schwere Arbeit bereits dem Ab-
schluß nahe, die Neugründung zweier Hochschulen. Die Friedrichs-Universität
in dem treuen Halle war während der Fremdherrschaft zweimal geschlossen
und sofort nach dem Einzuge der Preußen wieder eröffnet worden; sie
bedurfte nach den Verwüstungen der Kriegsjahre einer gründlichen Um-
*) Altenstein an Hardenberg, 26. Dezember 1817.