Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Stände für das alte gute Recht. 311 
trat aus, um zunächst die Entscheidung des Wiener Kongresses über die 
Rechte der vormaligen Reichsstände abzuwarten. Die Form der Bera— 
tungen entsprach noch ganz dem altväterischen Brauche: die Abgeordneten 
verlasen zumeist lange schriftliche Vota und verstiegen sich nur selten, beim 
Austausch persönlicher Gehässigkeiten, zur freien Rede. Seinen vier Bevoll— 
mächtigten stellte der Landtag einen Ausschuß von 25 Mitgliedern an die 
Seite, der die Stelle des alten großen Ausschusses vertreten sollte und auf 
jeden Vorschlag der Regierung ein umständliches Gegenbedenken folgen ließ. 
Und doch konnte selbst die langweilige Förmlichkeit des schriftlichen Ver— 
fahrens nicht verhindern, daß die furchtbare Erbitterung gegen den König 
sich oft in stürmischen Auftritten entlud. Die Stände beantworteten das 
Entgegenkommen des Monarchen durch eine Zusammenstellung der Lan— 
desbeschwerden. Welch ein Eindruck, als dies endlose Schriftstück verlesen 
wurde und die unglaubliche Willkür der Landvögte, die frevelhafte Ver— 
schwendung des Königs selbst an den Tag kam: fünf Millionen Gulden, 
ein volles Drittel der Landeseinkünfte, hatte der Hofhalt jährlich ver— 
schlungen. Alles schwieg erschüttert, manchem stürzten die Tränen aus 
den Augen; es war, als ob das tief beleidigte Gewissen des Volks zu 
Gericht säße über die Sünden dieser neun Jahre. Unterdessen rückte das 
Verfassungswerk nicht von der Stelle. In den schärfsten Worten erinnerten 
die Stände den König an seinen gebrochenen Eid; sie wiederholten un— 
ablässig, daß all das „namenlose Elend“ der letzten Jahre allein von der 
„Verachtung des geprüften Alten“ komme, und erklärten für den wert— 
vollsten Bestandteil der alten Verfassung gerade jene beiden Institutionen, 
welche sich mit der Einheit der modernen Monarchie am wenigsten ver— 
trugen: den stehenden Ausschuß und die landständische Kasse. Getreu der 
altständischen Überlieferung betrachteten sie das Verhältnis zwischen Fürst 
und Volk als einen natürlichen Kriegszustand und scheuten sich nicht dem 
Könige ins Gesicht zu sagen: für den Fall eines neuen Streites müsse 
der Landtag eigene Geldmittel besitzen um verfolgte Beamte zu unterstützen. 
Nach einem halben Jahre unfruchtbaren Streites riß dem Könige 
endlich die Geduld. Er beschloß die Versammlung zu vertagen, forderte 
sie auf, einige Bevollmächtigte zur Fortsetzung der Verhandlungen über 
das Grundgesetz zurückzulassen und versprach in der Zwischenzeit die Landes- 
beschwerden streng zu untersuchen. Die Mehrheit des Landtags aber kam 
von den Formeln des altwürttembergischen Staatsrechts nicht los; sie be- 
stand darauf, daß ein großer Ausschuß als Vertreter der Rechte des 
Landes zurückbleiben müsse, und als der Monarch diese ständische Neben- 
regierung zurückwies, gingen die Stände trotzig auseinander ohne Bevoll- 
mächtigte für die Verfassungsarbeit zu ernennen. Bevor der Landtag sich 
trennte spielte er noch seinen höchsten Trumpf aus und wendete sich 
(26. Juli) an die Bürgen des alten Erbvergleichs, Dänemark, England 
und Preußen mit der Bitte um Vermittlung, denn die Annahme des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.