482 II. 8. Der Aachener Kongreß.
hitzigen Mut auch im Kampfe gegen die Franzosen tapfer bewährt hatte.
Indes ein neuer deutscher Bundesstaat von etwas über dreiviertel Quadrat—
meilen schien doch bedenklich; selbst die Bewunderer der schönen Mannig—
faltigkeit des deutschen Staatslebens mußten zugeben, daß eine deutsche
Völkerschaft zur Entfaltung ihrer nationalen Eigenart mindestens soviel
Raum brauchte, wie Liechtenstein mit seinen drittehalb Quadratmeilen.
Die Mächte beschlossen daher, daß Preußen und Rußland die Vermittlung
zwischen Oldenburg und Kniphausen übernehmen, den Grafen womöglich
zu einem Austausche bewegen sollten.“) Aber der Wille Kniphausens war
stärker als die Wünsche Europas. Nach achtjähriger Arbeit brachten die
Mediatoren einen Vertrag zustande, der das Bundesrecht mit einer
neuen Kostbarkeit bereicherte. Kniphausen war fortan „ein besonderes
Land“ unter dem Schutze des Deutschen Bundes, ein halbsouveräner Staat
mit eigener Flagge, der Hoheit des Herzogs von Oldenburg ganz ebenso
wie vormals dem Reiche untergeordnet. Natürlich gebar dies Abkommen
sofort neuen Zank, das besondere Land zeigte dem oldenburgischen Schirm—
herrn gegenüber eine ganz besondere Händelsucht, und bald wuchs zur
Augenweide aller Staatsrechtslehrer der große Bentincksche Rechtsstreit
heran, ein Rattenkönig von juristischen Kontroversen, der in der Keller—
finsternis des Bundestags immer fröhlicher gedieh und fast dreißig Jahre
hindurch die Frankfurter Versammlung immer wieder mit seinem unge—
bührlichen Gepolter störte, bis endlich im Jahre 1854 das Reich der
Bentincks durch einen neuen Vertrag mit Oldenburg vereinigt wurde
und die Kniphausener Flagge vom Weltmeere verschwand.
Auch der bayrisch-badische Streit fand in Aachen seinen vorläufigen
Abschluß. Das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarn hatte sich der—
maßen verbittert, daß der Großherzog einen Handstreich befürchtete und
die vier Mächte bat, den aus Frankreich zurückkehrenden bayrischen Trup—
pen den Durchzug durch sein Land zu untersagen. Die Mächte erwiderten,
er habe nichts zu besorgen, und ermahnten den Münchener Hof nach—
drücklich, beim Durchmarsch die strengste Mannszucht zu halten.““) Schon
vorher hatte Berstett die vertragsmäßige Entscheidung der Ouadrupel-
allianz über die Territorial= und die Erbfolgefrage angerufen und sich zu
einigen Entschädigungen bereit erklärt. Er wurde darauf selber nach Aachen
eingeladen und zugleich aufgefordert, einen Bevollmächtigten an die Frank-
furter Territorialkommission zu senden. Die Mächte waren einig, wie
Bernstorff schrieb, „die so gehässige als ärgerliche Angelegenheit schnell zu be-
endigen“, wenn Baden irgend annehmbare Bedingungen stelle.““) Berstett
*) Weisung des Grafen v. Bentinck an Kanzleirat Mosle, Wien 5. April 1815.
Bernstorffs Bericht (41. Sitzung vom 20. Nov. 1818.)
*“) Hardenberg an Berstett, 15. Okt., an Rechberg, 15. Okt. 1818.
**“) Bernstorff an Lottum, 19. Okt. Hardenberg und Nesselrode an Berstett,
17. Okt. 1818.