484 II. 8. Der Aachener Kongreß.
Badener den russischen Monarchen als den Beschirmer ihres Landes. In
Wahrheit hatte Zar Alexander für den badischen Staat nicht mehr ge—
tan als König Friedrich Wilhelm, er hatte nur mit schauspielerischem
Geschick verstanden zur rechten Stunde den Ausschlag zu geben und ver—
säumte nicht, nach dem Kongresse in Baden selbst die Früchte seines Tuns
in Augenschein zu nehmen. In Frankfurt verbat er sich bei dem badi—
schen Gesandten alle auffälligen Demonstrationen; nur „was freier Erguß
der Herzen ist“ wollte er nicht untersagen. Und dieser Erguß der badi—
schen Herzen erfolgte denn auch so reichlich, so ergiebig, wie es der Zar
selbst unter seinen Russen kaum erlebt hatte. Triumphbogen und weiß-
gekleidete Ehrenjungfrauen in jedem Städtchen, überall Kränze mit der
Inschrift „Dem Retter Badens“ und in Karlsruhe am Abend allgemeine
Erleuchtung, so daß Alexander doch für geraten hielt zu Hause zu blei-
ben.) Das war der Nationalstolz der Süddeutschen, drei Jahre nach
Belle Alliance. In den patriotischen Blättern fand sich niemand, der
diesem Geschlechte gesagt hätte, wieviel ihm noch zu einer Nation fehlte;
die Presse richtete ihren Zorn allein gegen Osterreich und Preußen, die
fortan immer an jedem Übel schuld sein sollten: warum gestatteten sie
dem Auslande eine solche Einmischung in deutsche Händel? Und doch war
der Schiedsspruch des Aachener Kongresses nur die unausbleibliche Folge
des Verhaltens der Rheinbundstaaten im Jahre 1813. Weil diese deutschen
Staaten erst nach dem Siege, einzeln, als souveräne europäische Mächte,
durch Akzessionsverträge sich dem Bündnis der vier Mächte angeschlossen
hatten, darum unterlag jetzt der bayrisch-badische Streit von Rechts wegen
der Entscheidung des Vierbundes.
Leidenschaftlich wie die Freude der Badener äußerte sich die Ent-
rüstung des Münchener Hofes. Umsonst versuchte Kaiser Franz auf der
Heimreise seinen Schwiegervater zu beschwichtigen, umsonst erboten sich
Metternich und Kapodistrias noch einen Fetzen badischen Landes in den
Kauf zu geben;?') die Wittelsbacher verwarfen alles, Kronprinz Ludwig
klagte gleich dem König von Schweden über die Wiederkehr der napo-
leonischen Gewaltherrschaft, doch sein Zorn blieb ohne Folgen. Die Be-
vollmächtigten des Vierbundes bei der Frankfurter Territorialkommission
hatten bereits gemessene Weisung, die Aachener Beschlüsse auszuführen.
Nachdem der Stein des Anstoßes endlich beseitigt war, ging die Arbeit
rasch vorwärts, und am 20. Juli 1819 unterzeichneten die vier Mächte
den Frankfurter Territorialrezeß, ein unsäglich mühevolles Werk, das nach
einem Zeitalter der Kriege den Besitzstand der deutschen Staaten auf
lange Jahre hinaus sicherstellte. Der bayrische Hof ließ sich zwar das
*) Berckheims Bericht, Frankfurt 24. November; Varnhagens Bericht, Karlsruhe
27. Nov. 1818.
*) Krusemarks Berichte, 26. 30. Dez. 1818.