114 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
schlüsse aussprach, aber zugleich verlangte, daß bei der Reform des
Gemeindewesens „Alles, was geschichtlich edel und tief im Leben des Volkes
besteht, schonend behandelt,“ und zu der Verfassungsberathung „Eingeborene"
aus den Provinzen zugezogen würden. Diesen Angriff hatte Hardenberg
noch durch einen scharfen Verweis abgeschlagen, da das Comité unzweifel-
haft über seine Befugniß hinausgegangen war.) Als aber jetzt die Ent-
würfe vollendet vorlagen, da erhob sich ein allgemeiner Sturm am Hofe,
unter dem Adel, im Ministerium selbst. Ein Mitglied des Staatsraths
sagte zu Varnhagen, dies Gesetz sei „ein Feuerbrand zur Revolution“.
Die Aufhebung der Kreisstandschaft, die Schmälerung der gutsherrlichen
Rechte, die scharfen Eingriffe in das Sonderleben der Provinzen, der
wiederholte Gebrauch des verbotenen Wortes „Volksvertreter“ — das Alles
bot neben den unleugbaren Mängeln der Entwürfe überreichen Stoff zu
leidenschaftlichen Anklagen. Die Hauptbedenken der hochconservativen Partei
wurden späterhin in zwei Sätzen zusammengefaßt. Die Entwürfe, so
hieß es, „werfen alle Klassen der Einwohner in einander und können da-
her nicht die Grundlage einer ständischen Verfassung, sondern nur die einer
allgemeinen Volksrepräsentation sein“; sodann: „sie wollen den Gemeinden
eine gesetzgebende Gewalt geben und sie zu constituirenden Versammlungen
machen.““)
In diesem gefährlichen Augenblicke spielte Benzenberg, der treue Ver-
ehrer des Staatskanzlers, seinem Gönner einen Streich, wie ihn der
schlimmste Feind nicht ärger hätte ersinnen können. Er ließ in Brock-
haus' „Zeitgenossen“ eine anonyme Schrift über die Verwaltung des
Staatskanzlers erscheinen, einen geistreichen Panegyricus, der, im Wesent-
lichen richtig, nachwies, daß Hardenberg bei allen Wendungen seiner Politik
immer nur die Verfassung als letztes Ziel im Auge gehabt. „Eine neue
Gemeindeordnung“, meinte er hoffnungsvoll, „ist so gut wie vollendet; mit
den Fundamenten der Verfassung sind wir schon aus der Erde heraus."
Scharfsinnig sagte er die friedliche sociale Umwälzung voraus, welche den
Hardenbergischen Gesetzen folgen müsse: bis zum Jahre 1850 werde über-
all in Preußen ein freier Bauernstand entstanden und die Bevölkerung
auf 16 Millionen angewachsen sein. Der warmherzige Publicist, den der
große Haufe der Liberalen schon so oft mißverstanden hatte, war auch
jetzt noch keineswegs gemeint, das landläufige Glaubensbekenntniß des
Liberalismus nachzusprechen; vielmehr wollte er „die unbedächtigen Libe-
ralen“ warnen, daß sie nicht durch unzeitigen Eifer den alten welterfahrenen
Fabius Cunctator in seinen tiefdurchdachten Plänen stören möchten. „Da
die Constitutionellen wirklich einigermaßen dumm sind,“ sagte er in
–.. — —„ — — —
*) S. die Aktenstücke in Schön's Papieren, VI. 624f.
**) So ein von Schuckmann durchgesehenes Concept: „Gründe, weshalb die
Communalordnungs-Entwürfe nicht zu vollziehen sind“ (Mai 1821).