Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Der Bonapartismus. 149 
ohne Wirkung war die emsige geheime Thätigkeit der Sendboten von 
St. Helena nicht geblieben. In den letzten Jahren seiner Herrschaft hatte 
sich der Erbe der Revolution nur noch als ein Despot gezeigt; jetzt im 
Elend kehrte der Bonapartismus der Welt wieder das demokratische Gesicht 
seines Januskopfes zu. 
Alle die Briefe und Denkwürdigkeiten, mit denen der Verbannte den 
europäischen Büchermarkt überschwemmen ließ, erzählten rührsam, wie 
er sein Lebelang nur das eine Ziel verfolgt habe, den Franzosen nach der 
Wiederherstellung der Ordnung auch die Freiheit zu schenken; auf seine 
alten Tage hatte er sich mit einem Kreise aufgeklärter Menschenfreunde 
umgeben und diese als espions de vertu im Gefolge der Kaiserin in 
die Provinzen senden wollen, um überall die Klagen der Armen und 
Bedrängten entgegenzunehmen; lediglich durch die Kriegslust seiner neidischen 
Nachbarn war der Friedensfürst immer wieder gezwungen worden das 
Schwert zu ziehen und die Ausführung seiner Lieblingspläne zu vertagen. 
Die lächerlichen Märchen fanden doch schon manches willige Ohr. In 
Frankreich und Polen wiederholten Tausende die zornige Klage Beranger's: 
adieu donc pauvre gloire; in allen Vasallenlanden des Imperators 
wurden die napoleonischen Erinnerungen wieder lebendig. Selbst in Eng- 
land gab es Unzufriedene, die in Napoleon's Sturz nur noch den Triumph 
der rohen Macht über den Genius sehen wollten, und Byron scheute sich 
nicht, die Ehrenlegion und die Tricolore als den Stern der Tapferen und 
den Regenbogen der Freien zu verherrlichen. 
Mittlerweile unterhielten Eugen Beauharnais und seine Schwester 
Hortense von Baiern aus einen regen Verkehr mit Napoleon's Abgesandten. 
Frau v. Abel und die Wittwe des Marschalls Ney vermittelten die Ver- 
bindung mit Frankreich; und ungeachtet der wiederholten Mahnungen der 
Großmächte konnte sich der gute König Max Joseph nicht entschließen, seinem 
Liebling Eugen das Handwerk zu legen.) Eine bonapartistische Partei, 
welche gradeswegs die Herstellung des Kaiserreichs erstrebt hätte, bestand 
freilich nirgends mehr außerhalb dieses engen Kreises der Napoleoniden. 
Im Gefühl seiner Schwäche verband sich der Bonapartismus mit den 
radicalen Parteien; überall säte er Unfrieden und nährte den Groll wider 
das Bestehende; in allen revolutionären Geheimbünden Frankreichs, 
Italiens, Polens waren napoleonische Veteranen thätig. Die Presse war 
der Zornreden wider den Corsen endlich müde geworden; sie brachte jetzt 
häufig gefühlvolle Klagen über das harte Loos des „Gefangenen der 
Millionen“ — denn aus den Lügenberichten von St. Helena konnte sie 
unmöglich errathen, wie unwürdig dieser Mann des Mitleids war —, 
oder sie verglich boshaft anspielend das Genie des Entthronten mit den 
  
*) Weisung an Zastrow, 12. Aug. 1818; dessen Berichte, 29. Nov. 1818, 28. Sept. 
1819, 1. Mai 1822 u. s. w.
	        
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